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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gehüpft war, um ihre neuen Klassenkameradinnen zu begrüßen?
    Ich seh furchtbar aus , dachte Kit. Und dann, als sie den Kopf schräg legte, entdeckte sie ihn, den Mann, der hinter ihr ging. Entsetzt blieb sie stehen, den einen Fuß zum nächsten Schritt gehoben, starrte sie in die anderen Augen im Spiegel vor ihr.
    Das kann nicht sein , sagte sie sich. Da kann niemand hinter mir sein. Der Flur war leer, als ich aus meinem Zimmer kam. Wenn jemand hinter mir wäre, hätte er mit mir aus meinem Zimmer kommen müssen, und das ist unmöglich . – Und trotzdem war der Mann da, im Spiegel war er so deutlich zu sehen wie sie selbst und er stand so dicht hinter ihr, dass sie eigentlich seinen Atem im Nacken spüren müsste.
    Kit sog die Luft ein und tat das Einzige, zu dem sie fähig war. Sie schloss die Augen und schrie los.

ZWÖLF
    Als sie einmal angefangen hatte, konnte sie nicht wieder aufhören. Ein schriller Schrei nach dem anderen zerriss ihr die Kehle. Ihr kam es vor, als würde sie tausend Jahre lang schreien, doch dann hörte sie Schritte, wie aus einer anderen Welt die Treppe hoch poltern und eine Stimme, die ihren Namen rief. Starke Hände packten ihre Schultern.
    Jules sagte: »Kit! Kit, was ist denn? Was ist passiert?«
    »Da …«, konnte Kit schluchzend hervorbringen, »da, hinter mir …«
    »Da ist nichts hinter dir.«
    Kit machte die Augen auf und starrte in sein fein geformtes Gesicht, das tief über das ihre gebeugt war, und die dunklen Augen, die sie nun mit echter Sorge ansahen.
    Und verflogen war die Wut, die vor ein paar Tagen aufgeflammt war, als sie ihn beim Abspielen der Schubert-Aufnahme im Musikzimmer gestört hatte.
    Er sorgt sich , dachte sie. Und trotz ihrer Angst klammerte sie sich an diese Erkenntnis. Er sorgt sich wirklich.
    »Da war jemand«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ein Mann. Er ging hinter mir. Ich hab ihn im Spiegel gesehen.«
    »Da kann niemand gewesen sein.«
    »Doch!«
    »Okay, es ist nichts passiert. Es ist alles gut.« Jules zog sie an sich und strich ihr mit der Hand übers Haar. »Du hast einen Schatten gesehen. Oder vielleicht auch dein eigenes Spiegelbild.«
    »Da war ein Mann!« Sie wollte die Worte herausschreien, aber sie wurden von seiner warmen Schulter gedämpft. Irgendwo hinter ihnen waren andere Stimmen zu hören und sie wusste, dass sie jetzt kamen, sie alle, aus der unteren Etage. Gleich würden sie um sie herum stehen, ihr auf den Rücken klopfen, sie trösten und ihr ganz vernünftig erklären, dass sie sich alles nur eingebildet hatte.
    Sie drückte die Hände gegen Jules Brust und schob ihn weg von sich, weil sie sein Gesicht sehen wollte.
    »Bitte«, sagte sie hektisch, »du musst mir glauben. Du musst mir einfach glauben.«
    »Kathryn!« Das war die Stimme von Madame Duret. »Was in aller Welt ist passiert?«
    »Was ist los, Kit?«
    »Kit, ist alles okay mit dir?«
    »Warst du das eben?«
    Sie hatte gewusst, dass es so ablaufen würde. Professor Farley, Ruth, Sandy, sie waren alle besorgt. Sie spürte Sandys Hand auf ihrem Arm, eine stumme Bestätigung dafür, dass ihre Freundschaft noch intakt war. Auch wenn es sonst niemand tat, Sandy würde ihr glauben.
    »Sie hat einen Schreck gekriegt«, erklärte Jules. »Sie dachte, sie hätte jemanden im Spiegel gesehen.«
    »Wen denn?«
    »Einen Mann. Ich habe einen Mann gesehen.« Kit hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen. »Ich hab mir das nicht eingebildet, ich habe ihn wirklich gesehen. Er war genauso real wie ich.«
    »Wie hat er ausgesehen«, fragte Professor Farley. Er schaute sie aufmerksam an.
    »Weiß ich nicht«, sagte Kit zögernd. »Es ist so dunkel im Flur, ich konnte ihn nicht besonders gut sehen. Und mein eigenes Spiegelbild hat ihn zum Teil verdeckt. Aber er war da. Ohne jeden Zweifel.«
    »Wo ist er dann jetzt?«, fragte Madame Duret sachlich. Sie wies auf das leere Stück Flur vor Kits Tür. »Wenn hier jemand gewesen wäre, Chérie, dann wäre er doch noch da. Wenn er an dir vorbeigerannt wäre, hätte er uns auf der Treppe begegnen müssen.«
    »Er hätte zurückgehen können«, wendete Sandy schüchtern ein. Sie nahm Kits Hand. »Kits Zimmer und meins liegen beide auf diesem Ende vom Flur. Er könnte in eins der beiden gegangen sein.«
    »Ihr schließt eure Zimmer doch ab, oder?«, fragte Ruth eher interessiert als besorgt. Ihre Augen glänzten vor unterdrückter Aufregung.
    »Ja, aber trotzdem …«
    Kit konnte Ruth ansehen, dass sie an den Zwischenfall mit dem

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