Ein dunkler Ort
waren so viele Vorbereitungen zu treffen für die Ankunft der jungen Menschen, dass ich keine Gelegenheit gefunden habe, Lucretia darüber in Kenntnis zu setzen, dass eins unserer Mädchen früher ankommen würde.«
»Hoffentlich bereiten wir Ihnen keine Unannehmlichkeiten«, sagte Kits Mutter. »Wir brechen morgen zu einer Kreuzfahrt auf. Eine andere Möglichkeit gab es einfach …«
»Aber das ist doch selbstverständlich. Selbstverständlich! Bitte, treten Sie ein. Hatten Sie Schwierigkeiten, zu uns zu finden?«
»Eigentlich nicht«, sagte Dan. »Wir haben uns im Dorf nach dem Weg erkundigt.«
Sie folgten Madame Duret, die vor ihnen durch eine Eingangshalle mit einer hohen gewölbten Decke in einen ansprechend möblierten Raum mit einem Kamin und einem großen Flachbildfernseher ging.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Madame wies auf die Sessel. »Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee vielleicht oder Wein? Wie wäre es mit einem Glas Sherry?«
»Das wäre wunderbar«, sagte Dan. »Ginny?«
»Herrlich«, sagte Kits Mutter. »Vielen Dank. Ehrlich, Madame Duret, ich bin ganz überwältigt von diesem fantastischen Haus. War das wirklich einmal der Wohnsitz einer Familie?«
»In der Tat, das war es«, sagte Madame. »Lucretia …«, sie wandte sich beiläufig an die kleine graue Frau, die lautlos in der Tür erschienen war, als wäre sie einem stummen Ruf gefolgt. »Bring uns bitte drei Sherry und eine Cola. Du möchtest doch gern eine Cola, Kathryn, oder?«
»Ja, bitte«, sagte Kit schüchtern.
»Dieses ganze Anwesen«, fuhr Madame an die Rollands gewandt fort, »befand sich im Besitz eines Mannes namens Brewer. Er ist vor über zehn Jahren gestorben. Seither stand es leer. Die Erben, entfernte Verwandte, die an der Westküste leben, haben es einem Immobilienmakler übergeben. Niemand wollte das Haus kaufen, was nur verständlich ist, denn das ist kein normales Einfamilienhaus, wie sie sehen können, und das lange Leerstehen hat dem Anwesen zu einem zweifelhaften Ruf verholfen. Teenager aus dem Dorf trafen sich hier zu ihren Stelldicheins und kamen dann mit allerlei merkwürdigen Geschichten über Lichter in den Fenstern und durch den Garten schwebenden körperlosen Wesen wieder nach Hause.« Sie lachte und die Rollands lachten mit ihr.
»Das klingt aufregend«, sagte Kits Mutter. »Ich erwarte fantastische Briefe von meiner Tochter, in denen sie uns von ihren Abenteuern hier erzählt.«
Das Gespräch wurde unterbrochen, als Lucretia ein Tablett mit Getränken brachte. Kit nahm ihr Glas, sie war froh, irgendwas mit ihren Händen anfangen zu können. Das grauenhafte Gefühl, das sie beim ersten Anblick von Blackwood überwältigt hatte, war etwas verblasst, aber ein Schatten davon war noch da.
»Wie viele Schüler werden wir sein?«, fragte sie.
»Das weiß man nie genau«, sagte Madame Duret. »Am ersten Tag gibt es immer welche, die einen Rückzieher machen, weil sie Heimweh bekommen beim Gedanken, ihre Eltern verlassen zu müssen. Die endgültige Zahl wissen wir erst morgen bei der Einführung. Persönlich bin ich der Ansicht, dass ein Internatsaufenthalt eine Erfahrung ist, die zum Leben einer jeden jungen Frau gehören sollte.«
Das Gespräch ging weiter und Kit saß da, nippte an ihrer Cola und hörte nur mit halbem Ohr zu. Morgen, dachte sie, morgen sind hier noch andere Mädchen in diesem Raum. Vielleicht würde sich die Atmosphäre von Blackwood ja verändern, wenn junge Stimmen in den Fluren zu hören waren, wenn gelacht und geredet wurde und der riesige Fernseher lief. Vielleicht war es ja so, wie Dan gesagt hatte, und unter den Neuankömmlingen fand sich so eine Freundin für sie wie Tracy, eine enge Vertraute, die immer bereit war, mit ihr etwas zu erleben.
Dan warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich will ja nicht drängen, aber wir haben eine lange Fahrt vor uns. Das Beste wird sein, ich hole Kits Koffer jetzt herein.«
»Lucretia wird Ihnen zeigen, wohin sie gebracht werden sollen.« Madame Duret erhob sich aus ihrem Sessel. »Während Sie das Gepäck holen, möchte Mrs Rolland sich vielleicht schnell einmal Blackwood ansehen?«
»Sehr gern«, sagte Kits Mutter. »Das ist ein so faszinierendes altes Herrenhaus. Mussten Sie sehr viel renovieren?«
»Nicht so viel, wie man vermuten würde«, sagte Madame und ging voran in die Eingangshalle. »Das Gebäude war solide gebaut. Die einzigen größeren Baumaßnahmen mussten wir oben in dem Flügel mit den Schlafräumen vornehmen, dort hatte es
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