Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
moralisch? Das ist nicht nur falsch, das ist illegal!«
    »Niemand hat irgendwas gestohlen«, sagte Profes sor Farley ruhig. »Deine Briefe liegen ordentlich gesta pelt in Madames Büro. Du kannst sie zurückhaben, wann immer du es wünschst. Und manche sind auch verschickt worden, die frühen, in denen nicht die Rede von seltsamen Träumen und verstörenden Dingen wa ren, die hier angeblich passieren. Deine Eltern waren sicherlich entzückt, sie zu bekommen.«
    »Eins frage ich mich schon länger«, sagte Ruth. »Was ist mit den anderen Schulen geschehen? Denen in Europa? Madame hatte dort zwei. Warum sind die geschlossen worden?«
    »Aus verschiedenen Gründen«, sagte der Professor, »nichts davon hat irgend etwas mit Blackwood zu tun.«
    »Und was ist aus den Mädchen in diesen Schulen geworden?«, fragte Sandy. »Welche Begabungen hatten sie? Haben sie komponiert und Gedichte geschrieben?«
    »Das haben sie in der Tat«, sagte Professor Farley. »Viele wunderschöne Beiträge zur Weltkultur kamen durch Madame Durets frühere Schülerinnen zutage. Ich glaube, ich darf so weit gehen zu behaupten, dass einige davon Meisterwerke gewesen sind.«
    »Und wo sind sie jetzt?«, wollte Kit wissen. »Was ist mit ihnen passiert? Warum haben wir nie was davon gehört?« Sie verstummte, denn ihr kam ein Gedanke. »Der Vermeer, den Madame angeblich auf einer Auktion entdeckt hat! Dieses Bild hat sie gar nicht gekauft. Es ist von einer Schülerin ihrer alten Schule gemalt worden! Madame hat ein Vermögen dafür bekommen. Sie hat es als Original verkauft.«
    »Es war ein Original«, sagte Professor Farley. »Es war die Arbeit von Vermeer, ganz gleich, welche Hände den Pinsel auch gehalten haben mögen.«
    »Aber konnten die Experten denn das Alter des Bildes nicht feststellen?«, fragte Ruth verblüfft. »Die Farbe wäre doch anders und die Leinwand auch.«
    »Du vergisst, dass Madame selbst eine Kunstexpertin ist«, sagte Professor Farley. Sie hat ihren Schülerinnen gebrauchte Leinwände entsprechenden Alters zur Verfügung gestellt, die bis auf die Originalgrundierung abgeschabt worden waren. Sie konnte auch mit Lapislazuli und Cochinelle hergestellte Farben beschaffen. Es ist nicht sonderlich schwer, den Effekt zu erzielen, ein altes Bild vor sich zu haben. Wir haben die Arbeiten zwei Stunden bei hundert Grad im Backofen reifen lassen und sie dann gerollt, um das Krakelee zum Vorschein zu bringen. Niemand würde sie für etwas anderes als Originale halten.«
    Sie hatten an alles gedacht.
    Ich schlafe nicht ein , sagte Kit sich. Kann sein, dass ich die ganze Nacht hier sitze, aber ich werde die Augen nicht zumachen. Das war ein sinnloses Gelöbnis und sie wusste es. Hinter ihrer Tür wartete der Schlaf wie ein alles umfangender Nebel. In dem Moment, in dem sie ihr Zimmer betrat, würde eine schwere Müdigkeit sie befallen, fast so, als wäre ihr ein Schlafmittel verabreicht worden, und noch bevor sie ihr Bett erreicht hätte, würden ihr die Augen zufallen.
    Heute Abend kämpfte sie dagegen an, indem sie zum Fenster ging. Sie drückte die Stirn gegen das kalte Glas und starrte hinaus in die Nacht. Zuerst konnte sie außer Dunkelheit nichts sehen.
    Dann, als ihre Augen sich auf die Lichtverhältnisse eingestellt hatten, zeichneten sich die schwarzen Schatten der Bäume vorm Himmel ab. Irgendwo, zu weit oben, um vom Haus aus zu sehen zu sein, musste der Mond hell am Himmel stehen. Dies ist der Flügel, in dem die Brewers geschlafen haben , dachte Kit. Die Babys der Brewers könnten hier geboren worden sein. Hier war ihr Kinderzimmer und das Elternschlafzimmer lag auch hier.
    Plötzlich tauchte das lebhafte Bild einer Frau in ihrer Vorstellung auf, die vielleicht etwas jünger war als ihre eigene Mutter. Sie stand am Fenster, genau wie Kit jetzt.
    Die Frau war rundlich und schaute verträumt drein, sie liebte ihr Zuhause, liebte es, hier zu stehen und in den Sommergarten hinauszuschauen und über die glatte grüne Rasenfläche, die zum glitzernden See hinunter führte.
    Die Welt schien sich zu verändern, die Nacht hob sich wie ein Schleier vor Kits Augen und sie konnte dieselbe Szene vor sich sehen, die die Frau sah: ein üppiger Garten, in dem die Blumen in Blüte standen und ein sonnenbeschienener Rasen, auf dem drei kleine Jungs spielten. Ein Kinderwagen stand im Schatten einer Eiche und eine Kinderschwester in Tracht, die einen Sonnenhut trug, beugte sich über ihn und sprach mit dem kleinen Kind darin.
    Wie schön ,

Weitere Kostenlose Bücher