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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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erstickte oder nach Indien auswanderte, wie lang würde es wohl dauern, bis sie aufhörte, über ihre Schulter zu blicken?
    „Es war nichts weiter“, sagte Daniel, der in diesem Moment zum Tisch zurückkam. „Nur ein Trunkenbold, der meinte, zwischen Stall und Wirtsstube alles auf den Kopf stellen zu müssen.“ Er griff nach seiner Teetasse, trank daraus und fuhr fort: „Der Regen wird schwächer. Es tröpfelt noch, aber ich glaube, wir sollten bald aufbrechen.“
    „Natürlich“, sagte Anne und stand sofort auf.
    „Ich habe schon jemand zur Poststation schicken lassen, um den Wagen zu holen“, sagte er, erhob sich ebenfalls und geleitete sie zur Tür.
    Sie nickte und ging hinaus. Die frische Luft war belebend, und die Kälte störte sie nicht mehr. Der kühle Dunst hatte etwas Reinigendes an sich, sodass sie sich allmählich wieder fühlte wie sie selbst.
    Und das war in diesem Augenblick gar nicht so schlecht.
    Daniel hatte immer noch keine Ahnung, was mit Anne in dem Pub los gewesen war. Möglich wäre es wohl schon, dass es so war, wie sie gesagt hatte, dass sie sich an ihrem Tee verschluckt hatte. Ihm war das auch schon passiert, man musste tatsächlich heftig husten, vor allem, wenn der Tee brühend heiß war.
    Aber sie hatte so schrecklich blass ausgesehen, und in ihrem Blick - so viel er in dem kurzen Augenblick erkennen konnte, ehe sie ihn abwandte - hatte etwas Gehetztes gelegen. Etwas zutiefst Verängstigtes.
    Es erinnerte ihn an jene Episode in London, als er miterlebt hatte, wie sie in Hobys Schuhmacherei gestolpert war, außer sich vor Angst. Sie hatte gesagt, sie hätte jemanden gesehen. Oder eher, dass jemand draußen war, dem sie nicht zu begegnen wünschte.
    Aber das war in London gewesen. Jetzt waren sie in Berkshire, und sie hatten in einem Pub voller Dorfbewohner gesessen, die er seit seiner Geburt kannte. Im ganzen Raum war keine Menschenseele gewesen, die Grund gehabt hätte, ihr auch nur ein Haar zu krümmen.
    Vielleicht war es ja doch der Tee gewesen. Vielleicht hatte er sich alles andere nur eingebildet. Jetzt wirkte Anne wieder normal, lächelte ihn an, während er ihr ins Karriol half. Das Verdeck war zum Schutz vor dem Regen hochgeklappt, aber selbst wenn das Wetter so blieb, würden sie völlig durchgefroren sein, wenn sie Whipple Hill erreichten.
    Sie brauchten ein heißes Bad. Er würde es sofort bei der Ankunft anordnen.
    Leider konnten sie es nicht zusammen nehmen.
    „Ich bin noch nie in einem Karriol gefahren.“ Anne lächelte und band ihren Hut zu.
    „Nein?“ Er wusste nicht, warum ihn das überraschte. Eine Gouvernante bekam sicher nie Gelegenheit, in einem Karriol zu fahren, doch alles an ihr vermittelte den Eindruck, dass sie von vornehmer Herkunft war. Irgendwann in ihrem Leben musste sie eine passende Partie gewesen sein, bestimmt war sie von Dutzenden von Gentlemen eingeladen worden, mit ihnen in ihren Karriolen und Phaetons auszufahren.
    „Nun, ich habe schon mal in einem Gig gesessen“, erzählte sie. „Eine frühere Dienstherrin besaß einen, und ich musste lernen, ihn zu kutschieren. Sie war schon recht alt, keiner wollte ihr mehr die Zügel überlassen.“
    „War das auf der Isle of Man?“, fragte er leichthin. Sie offenbarte so selten etwas aus ihrer Vergangenheit. Er befürchtete, dass sie sich sofort wieder verschließen könnte, wenn er sie zu intensiv befragte.
    Doch seine Frage schien sie nicht abzuschrecken. „Ja“, bestätigte sie. „Davor bin ich nur einen Leiterwagen gefahren. Mein Vater wollte keinen Wagen halten, in dem nur zwei Leute Platz haben. Er war ein praktisch denkender Mann.“
    „Reitest du?“
    „Nein“, sagte sie schlicht.
    Noch ein Hinweis. Wenn ihre Eltern von Adel gewesen wären, hätte man sie in den Damensattel gesetzt, noch bevor sie lesen gelernt hätte.
    „Wie lang hast du dort gelebt?“, erkundigte er sich im Plauderton. „Auf der Isle of Man, meine ich.“
    Sie antwortete nicht gleich, und gerade als er dachte, sie würde es gar nicht mehr tun, sagte sie mit leiser, erinnerungsvoller Stimme: „Drei Jahre. Drei Jahre und vier Monate.“
    Den Blick unverwandt auf die Straße geheftet, sagte er: „Es klingt nicht so, als hättest du viele glückliche Erinnerungen an diese Zeit.“
    „Nein.“ Sie schwieg eine Weile, und dann ergänzte sie: „Es war eigentlich nicht schlimm. Es war nur ... Ich weiß nicht. Ich war jung. Und ich war dort nicht zu Hause.“
    Zu Hause. Das erwähnte sie so gut wie nie. Und ihm war

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