Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
Vom Netzwerk:
klar, dass es zu heikel war, nachzuhaken. Stattdessen fragte er: „Du warst Gesellschafterin?“
    Sie nickte. Er bemerkte es aus den Augenwinkeln, sie schien vergessen zu haben, dass er auf die Straße blickte und nicht zu ihr. „Es war keine besonders anstrengende Stellung“, erklärte sie. „Sie hatte es gern, wenn man ihr vorlas, also habe ich das ziemlich oft getan. Dazu Nadelarbeiten. Und ich habe alle ihre Briefe geschrieben. Ihre Hände haben ziemlich gezittert.“
    „Du bist dort weggegangen, als sie starb, nehme ich an.“ „Ja. Günstigerweise hatte sie in der Nähe von Birmingham eine Großnichte, die gerade eine Gouvernante brauchte. Ich glaube, sie wusste, dass es mit ihr zu Ende ging, und so hat sie vor ihrem Tod noch diese neue Anstellung für mich besorgt.“ Anne schwieg wieder einen Moment, dann spürte er, wie sie sich aufrichtete, beinahe als wollte sie den trüben Mantel der Erinnerung abwerfen. „Und seither bin ich Gouvernante.“
    „Es scheint dir zu gefallen.“
    „Ja, meistens.“
    „Ich könnte mir vorstellen ...“ Er unterbrach sich abrupt. Irgendetwas stimmte mit den Pferden nicht.
    „Was ist denn?“, fragte Anne.
    Er schüttelte den Kopf. Er konnte jetzt nicht reden, er musste sich konzentrieren. Das Gespann drängte nach rechts, was keinen Sinn ergab. Etwas knackte, die Pferde galoppierten in halsbrecherischem Tempo davon, zogen das Karriol mit sich, bis ...
    „Herr im Himmel!“, rief Daniel. Während er sich noch abmühte, die Kontrolle über die Tiere zurückzugewinnen, musste er voll Grauen beobachten, wie sich das Geschirr von der Deichsel löste und die Pferde durchgingen.
    Ohne den Wagen.
    Anne stieß einen Schreckensschrei aus, als das Karriol hügelabwärts raste, wild auf seinen zwei Rädern hin und her schwankte. „Beug dich vor!“, schrie Daniel. Wenn sie die Kutsche im Gleichgewicht hielten, konnten sie den Hügel heil hinunterkommen, bis die Kutsche ausrollte. Aber das Verdeck drückte die hintere Hälfte hinunter, und die Schlaglöcher und Furchen in der befahrenen Straße machten es ihnen beinahe unmöglich, in ihrer nach vorn gebeugten Position zu bleiben.
    Und dann fiel Daniel die Kurve ein. Auf halbem Weg den Hügel hinunter machte die Straße eine scharfe Biegung nach links. Wenn sie geradeaus weiterfuhren, würden sie weiter bergab rasen und in einem dichten Wäldchen landen.
    „Hör zu“, rief er eindringlich. „Demnächst kommt eine scharfe Linkskurve. Lehn dich nach links, so weit du kannst.“
    Sie nickte. In ihrem Blick stand die nackte Angst, aber sie hatte nicht die Beherrschung verloren. Sie würde tun, was nötig war. Und zwar ...
    „Jetzt!“, brüllte er.
    Beide warfen sich nach links, Anne landete halb auf ihm. Das Karriol stellte sich auf ein Rad, die hölzernen Speichen protestierten ächzend gegen das zusätzliche Gewicht. „Nach vorn!“, schrie Daniel, und sie warfen sich nach vorn, und die Kutsche bog nach links ab. Nur um Haaresbreite verfehlten sie den Graben.
    Doch beim Abbiegen verfing sich das linke Rad - das einzige mit Bodenhaftung - in irgendetwas, das Karriol tat einen Satz in die Luft und fiel krachend auf das Rad zurück. Daniel gelang es sich festzuhalten, dachte, Anne würde dasselbe machen, doch zu seinem Entsetzen musste er mit ansehen, wie Anne herausgeschleudert wurde, und das Rad ... Oh Gott, das Rad! Wenn es über sie drüberratterte ...
    Daniel überlegte nicht lange. Er warf sich nach rechts, brachte das Karriol zum Umkippen, bevor es Anne überfahren konnte, die irgendwo links vorn auf dem Boden lag.
    Das Karriol rutschte noch ein paar Ellen, bis es schließlich im Schlamm zum Halten kam. Einen Augenblick konnte Daniel sich nicht bewegen. Er hatte schon öfter Schläge einstecken müssen, war vom Pferd gefallen, liebe Güte, er war sogar angeschossen worden. Aber nie zuvor hatte es ihm die Luft so aus den Lungen gepresst wie in dem Augenblick, da das Karriol auf dem Boden aufprallte.
    Anne. Er musste zu ihr. Aber zuerst musste er atmen, doch seine Lungen fühlten sich wie versteinert an. Schließlich kroch er, immer noch nach Luft ringend, aus der umgekippten Kutsche. Seine Hände versanken in dem Matsch, dann seine Knie, und schließlich rappelte er sich auf die Füße, wobei er sich auf den gesplitterten Wagenkasten des Karriols stützte.
    „Anne!“, rief er. „Miss Wynter!“
    Keine Antwort. Es war überhaupt nichts zu hören, bis auf den Regen, der auf den durchweichten Boden prasselte.
    Daniel, der

Weitere Kostenlose Bücher