Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
Auge. Es ist immer noch ein wenig verfärbt, aber es ist nicht mehr so stark geschwollen.“ Sie warf ihm einen bedauernden Blick zu. „Deine Wange sieht unverändert aus.“ „Wirklich?“
„Nun ja, eigentlich schlimmer, tut mir leid. Aber damit musste man ja rechnen. Solche Blessuren wirken meistens übler, als sie in Wahrheit sind.“
Er hob die Augenbrauen. „Und wie kommt es, dass du eine Expertin in Sachen blaue Flecken bist?“
„Ich bin Gouvernante“, erwiderte sie. Wirklich, das sollte wohl Erklärung genug sein.
„Ja, aber du unterrichtest drei Mädchen ...“
Darüber musste sie lachen, was ihn recht effektiv zum Schweigen brachte. „Glaubst du etwa, dass Mädchen nie Unfug machen?“
„Oh, im Gegenteil.“ Er klopfte sich mit einer Hand auf die Brust. „Fünf Schwestern. Wusstest du das? Fünf.“
„Sollte ich jetzt Mitleid haben?“
„Das solltest du unbedingt“, entgegnete er. „Aber ich kann mich trotzdem nicht entsinnen, dass sie je in Schlägereien verwickelt gewesen wären.“
„Die halbe Zeit, wenn Frances Einhorn spielt“, sagte Anne unverblümt. „Du kannst mir glauben, dass sie sich dabei mehr als ihren gerechten Anteil an blauen Flecken zuzieht. Und außerdem habe ich auch schon kleine Jungen unterrichtet. Jemand muss sie doch beaufsichtigen, bevor sie aufs Internat geschickt werden.“
„Vermutlich.“ Er zuckte mit den Achseln. Dann wackelte er frech mit den Augenbrauen, beugte sich vor und murmelte: „Wäre es ungehörig von mir, wenn ich zugeben würde, dass ich die Aufmerksamkeiten, die du meinem Gesicht schenkst, sehr schmeichelhaft finde?“
Anne prustete laut heraus. „Ungehörig und absurd.“
„Ich habe mich wirklich noch nie so bunt gefühlt“, sagte er und seufzte tief.
„Du bist ein richtiger Regenbogen“, stimmte sie zu. „Ich kann Rot entdecken und ... nun ja, weder Orange noch Gelb, aber jede Menge Grün, Blau und Violett.“
„Du hast Indigo vergessen.“
„Habe ich nicht“, erklärte sie im besten Gouvernantenton. „Indigo hat in diesem Farbspektrum nichts verloren. Hast du je einen Regenbogen gesehen ?“
„Ein, zwei Mal“, erwiderte er, offenbar amüsiert über ihren strengen Ton.
„Es ist schon schwer genug, den Unterschied zwischen Blau und Violett auszumachen, geschweige denn, das Indigo dazwischen zu erkennen.“
Um seine Mundwinkel zuckte es, und er meinte: „Offenbar hast du darüber lange nachgedacht.“
Anne presste die Lippen zusammen, um sich ein Lächeln zu verkneifen. „In der Tat“, sagte sie schließlich und begann zu lachen. Was für ein albernes und gleichzeitig absolut wunderbares Gespräch.
Daniel lachte mit ihr, und sie lehnten sich beide zurück, während eine Kellnerin kam und ihnen zwei dampfende Tassen Tee brachte. Anne legte sofort die Hände um ihre Tasse und seufzte genussvoll auf, als die Wärme ihre Haut durchströmte.
Daniel nahm einen Schluck, erschauerte, als ihm die heiße Flüssigkeit die Kehle hinabrann, nahm noch einen Schluck. „Ich bin der Meinung, ich sehe sehr verwegen aus“, sagte er, „all die Abschürfungen und blauen Flecken. Vielleicht sollte ich anfangen, Geschichten zu erfinden, wie ich zu meinen Verletzungen gekommen bin. Eine Rauferei mit Marcus entbehrt jeder Aufregung.“ „Vergiss die Straßenräuber nicht“, erinnerte sie ihn.
„Und das“, erwiderte er trocken, „entbehrt jeder Würde.“ Sie lächelte. Es gab nicht viele Männer, die über sich selbst lachen konnten.
„Was meinst du?“, fragte er und drehte sich hin und her, als wollte er sich brüsten. „Soll ich sagen, dass ich mit einem Wildschwein gerungen habe? Oder vielleicht Piraten mit einer Machete abgewehrt?“
„Nun, das käme darauf an“, meinte sie. „Hattest du die Machete oder die Piraten?“
„Oh, die Piraten, würde ich sagen. Es ist weitaus eindrucksvoller, wenn ich mit bloßen Händen gegen sie gekämpft habe.“ Er wedelte mit den Händen herum, als übte er sich in irgendeiner alten orientalischen Kampfkunst.
„Hör auf!“, rief sie lachend. „Die Leute schauen schon.“
Er zuckte mit den Achseln. „Die würden ohnehin schauen. Ich war seit drei Jahren nicht mehr hier.“
„Ja, aber sie werden dich für einen Verrückten halten.“
„Ah, ein wenig Exzentrizität wird mir schon zugestanden.“ Er lächelte draufgängerisch und ließ die Augenbrauen auf und ab tanzen. „Das ist eine der Vergünstigungen des Titels.“
„Ich dachte, eher das Geld und die
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