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Ein Earl mit Mut und Leidenschaft

Titel: Ein Earl mit Mut und Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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Macht.“
    „Na ja, die auch“, gab er zu, „aber im Augenblick genieße ich die Exzentrizität. Die blauen Flecken unterstützen das, findest du nicht?“
    Sie verdrehte die Augen und nahm noch einen Schluck Tee. „Vielleicht eine Narbe“, überlegte er laut und bot ihr seine Wange dar. „Was meinst du? Genau hier. Ich könnte ...“
    Doch Anne hörte nicht mehr, was er sagte. Sie sah nur seine Hand, die in der Luft entlang seiner Schläfe bis zu seinem Kinn eine Narbe nachzeichnete. Eine lange, grimmige Diagonale, genau wie ...
    Sie sah es vor sich ... Georges Gesicht, als er sich im Arbeitszimmer seines Vaters die Verbände vom Gesicht riss.
    Und sie spürte es, das schreckliche Einsinken des Messers, als es durch seine Haut gedrungen war.
    Rasch wandte sie sich ab, versuchte zu atmen. Doch sie konnte nicht. Es war, als steckten ihre Lungen in einem Schraubstock, als würde ihre Brust von einem großen Gewicht niedergedrückt. Sie erstickte und ertrank gleichzeitig, rang verzweifelt nach Luft. Oh, lieber Gott, warum passierte das ausgerechnet jetzt? Diese urplötzlichen Angstanfälle lagen Jahre zurück, sie dachte, sie hätte sie überwunden.
    „Anne“, sagte Daniel eindringlich und nahm über den Tisch hinweg ihre Hand. „Was ist denn los?“
    Als hätte seine Berührung sie aus einem merkwürdigen Würgegriff befreit, entspannte sich ihr Körper plötzlich wieder, und sie konnte wieder Luft holen. Die schwarzen Ränder um ihr Gesichtsfeld flimmerten und lösten sich auf, und ganz langsam hatte sie das Gefühl, dass ihr Körper zum Normalzustand zurückkehrte.
    „Anne“, wiederholte er, doch sie blickte ihn nicht an. Sie wollte die Sorge in seiner Miene nicht sehen. Er hatte gescherzt, das wusste sie genau. Was um alles in der Welt könnte eine derartige Überreaktion erklären?
    „Der Tee“, sagte sie und hoffte, ihn zu überzeugen. „Ich glaube ... “, sie hustete, und es war nicht einmal gespielt, „... ich glaube, ich habe mich verschluckt.“
    Er betrachtete sie forschend. „Bist du sicher?“
    „Vielleicht war er auch zu heiß“, meinte sie mit einem zittrigen Schulterzucken. „Aber ich habe mich schon wieder fast erholt, ehrlich.“ Sie lächelte, versuchte es zumindest. „Es ist mir wirklich sehr peinlich.“
    „Kann ich dir irgendwie helfen?“
    „Nein, natürlich nicht.“ Sie fächelte sich Luft zu. „Meine Güte, mir ist auf einmal ganz heiß. Dir auch?“
    Er schüttelte den Kopf, den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet.
    „Der Tee.“ Sie bemühte sich, munter und fröhlich zu klingen. „Wie gesagt, er ist sehr heiß.“
    „Stimmt.“
    Sie schluckte. Er durchschaute sie, das spürte sie. Er wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, auch wenn er nicht wusste, wie diese Wahrheit aussah. Und zum ersten Mal, seit sie vor acht Jahren ihr Zuhause verlassen hatte, kostete es sie große Überwindung, ihr Schweigen nicht zu brechen. Sie hatte keinerlei Verpflichtung, ihre Geheimnisse mit diesem Mann zu teilen, und doch hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm nicht alles erzählte.
    „Glaubst du, dass der Regen nachgelassen hat?“, fragte sie und blickte zum Fenster. Man konnte nicht viel erkennen, das Glas war alt und gewellt, und das überhängende Dach hielt Wind und Wetter ab.
    „Noch nicht, nein“, erwiderte er.
    Sie drehte sich wieder um und murmelte: „Nein, natürlich nicht.“ Sie lächelte angestrengt. „Und ich sollte meinen Tee austrinken.“
    Er musterte sie aufmerksam. „Ist dir nicht mehr heiß?“
    Sie blinzelte, brauchte einen Augenblick, um sich zu entsinnen, dass sie sich eben noch Luft zugefächelt hatte. „Nein“, antwortete sie. „Komisch, nicht wahr?“ Sie lächelte noch einmal und führte die Tasse an die Lippen. Aber es blieb ihr erspart, das Gespräch in die früheren unbeschwerten Bahnen zu lenken. Draußen auf dem Gang war ein lautes Krachen zu hören.
    „Was kann das sein?“, fragte Anne, doch Daniel war schon auf den Beinen.
    „Bleib da“, befahl er und ging rasch zur Tür. Er wirkte angespannt; seine Haltung war Anne vage vertraut. Sie hatte sie an sich selbst schon oft wahrgenommen. Er wirkte fast so, als erwartete er Schwierigkeiten. Aber das kam ihr seltsam vor - der Mann, der ihn aus dem Land gejagt hatte, hatte doch gesagt, er verzichte auf Rache, das war ihr zumindest so zugetragen worden.
    Aber vermutlich ließen sich alte Gewohnheiten nicht so schnell ablegen. Wenn George Chervil plötzlich an einem Hühnerbein

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