Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
in ihm, bis sie nicht mehr wussten, wo der eine aufhörte und der andere begann.
„Es ist nicht deine Schuld“, meinte sie leise und entschlossen.
„Ich bin derjenige, an dem Lord Ramsgate sich rächen will“, erinnerte er sie sanft.
„Wir sind nicht...“ Sie senkte die Lider, aber nicht, ehe sie sich mit dem Handrücken über die Augen gewischt hatte. „Wir sind nicht verantwortlich für die Taten anderer“, erklärte sie. Ihre Stimme war voller Gefühl, aber sie vermied es weiterhin, ihn anzuschauen. „Vor allem nicht für die Taten eines Verrückten“, schloss sie.
„Nein“, pflichtete er ihr bei. „Aber wir haben eine Verantwortung für die Menschen, die uns umgeben. Harriet, Elizabeth, Frances - sollte ich nicht dafür Sorge tragen, dass sie in Sicherheit sind?“
„Das habe ich nicht gemeint“, erwiderte sie und runzelte verstört die Stirn. „Du weißt, es war ...“
Er ließ sie nicht ausreden. „Ich bin für jede Person verantwortlich, die auf meinem Besitz weilt. Auch für dich, während du hier bist. Und solange ich weiß, dass mir irgendjemand Böses will, ist es meine Aufgabe und meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass ich nicht andere in die Gefahr mit hineinziehe.“
Sie starrte ihn aus großen Augen an, und Daniel fragte sich, was sie wohl sah. Wen sie sah. Die Worte aus seinem Mund klangen sogar in seinen Ohren fremd. Er klang wie sein Vater, wie sein Großvater. War das die eigentliche Bedeutung eines Titels -dass man sich um die Menschen kümmern musste, die auf dem Land lebten, das einem gehörte? Er war so jung Earl geworden und hatte nur ein Jahr später England verlassen müssen.
Doch genau das bedeutete es, wie er in diesem Moment erkannte. Das war der tiefere Sinn.
„Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt“, sagte er so leise, dass Anne ihn gerade noch verstehen konnte.
Sie schloss die Augen, kniff sie zusammen, als wollte sie verhindern, dass sie zu weinen begann.
„Anne“, sagte er und tat einen Schritt nach vorn.
Doch sie schüttelte den Kopf, heftig, und ein schreckliches, ersticktes Schluchzen entrang sich ihrer Brust.
Es zerriss ihn beinahe.
„Was ist denn?“, fragte er und ging zu ihr. Er legte ihr die Hände auf die Oberarme, vielleicht um sie zu stützen ... vielleicht auch, um sich zu stützen. Und dann musste er innehalten, ruhig atmen. Das Bedürfnis, sie an sich zu ziehen, wurde beinahe übermächtig. Ehe er an diesem Morgen ihr Zimmer betreten hatte, hatte er sich geschworen, sie nicht zu berühren, ihr nicht so nahe zu kommen, dass er die Wärme ihrer Haut spüren konnte. Aber das hier - er konnte es nicht ertragen.
„Nein!“ Sie wand sich in seinem Griff, aber nicht so vehement, dass er geglaubt hätte, sie meine es ernst. „Bitte. Geh. Geh einfach.“
„Nicht bevor du mir sagst...“
„Ich kann nicht“, rief sie, und dann gelang es ihr tatsächlich, sich von ihm zu lösen. Sie machte ein paar Schritte zurück, bis sie der Meinung war, genug Distanz zwischen ihn und sich gebracht zu haben. „Ich kann dir nicht sagen, was du hören möchtest. Ich kann nicht mit dir zusammen sein, ich kann dich nicht mal mehr sehen. Verstehst du das?“
Er antwortete nicht. Denn er verstand, was sie sagte, doch er stimmte nicht mit ihr überein.
Sie schluckte, und dann legte sie sich die Hände auf das Gesicht und rieb es mit so großem Schmerz, dass er fast eine Hand ausgestreckt hätte, um sie daran zu hindern. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein“, wiederholte sie derart streng, dass er sich fragte, wen sie eigentlich überzeugen wollte. „Ich bin nicht... der Mensch ...“
Sie wandte den Blick ab.
„Ich bin nicht die passende Frau für dich“, sagte sie. „Ich bin dir gesellschaftlich nicht ebenbürtig, und ich bin nicht...“ Er wartete. Beinahe hätte sie etwas über sich preisgegeben, das sie auf jeden Fall für sich behalten wollte, dessen war er sich sicher.
Doch als sie weiterredete, hatte sie sich wieder gefasst. „Du wirst mich ruinieren“, erklärte sie ruhig. „Es wird nicht in deiner Absicht liegen, aber du wirst es tun, und ich werde meine Stellung verlieren und alles, was mir wichtig ist.“
Sie blickte ihm dabei in die Augen, und er wäre beinahe zurückgezuckt, als er die Leere in ihrem Gesicht sah.
„Anne“, versprach er, „ich werde dich beschützen.“
„Ich will deinen Schutz nicht“, rief sie aus. „Begreifst du denn nicht? Ich habe gelernt, für mich selbst zu sorgen, für meinen Unterhalt...“
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