Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
wusste nicht, was passieren würde. Vielleicht würde er schreien. Mit den Fäusten gegen die Wände schlagen. Er wusste nur, dass in ihm etwas Weißglühendes aufwallte, und jedes Mal, wenn er dachte, seine Wut könne nicht größer werden, schien etwas in ihm zu bersten und zu knistern. Die Haut wurde ihm eng, und der Zorn versuchte, sich einen Weg nach draußen zu bahnen.
Wurde heißer. Glühender. Bedrängte seine Seele.
„Lord Winstead?“, sagte sie ruhig, und er bemerkte, dass sein innerer Aufruhr ihr nicht verborgen geblieben war, denn sie hatte die Augen aufgerissen, und ihr Blick verriet Angst. Und dann, so leise, dass es kaum zu hören war: „Daniel?“
Es war das erste Mal, dass sie seinen Vornamen aussprach.
Er schluckte, rang mit zusammengebissenen Zähnen um Selbstbeherrschung. „Das wäre nicht das erste Mal, dass er versucht hat, mich umzubringen“, sagte er schließlich. „Aber es ist das erste Mal, dass er dabei beinahe jemand anderen getötet hätte.“
Er musterte sie forschend. Sie hatte immer noch die Decke bis zum Kinn hochgezogen, die Finger am Rand festgeklammert. Sie bewegte die Lippen, als wollte sie etwas sagen. Er wartete.
Sie sagte nichts.
Er hielt sich ruhig, stand kerzengerade, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Die Situation hatte etwas unerträglich Förmliches an sich, trotz der Tatsache, dass Anne im Bett lag und ihr schlafzerzaustes Haar in einem Zopf über ihre Schulter hing.
Normalerweise waren ihre Gespräche nicht so steif. Vielleicht hätten sie es sein sollen, vielleicht hätte ihn das vor seiner Verliebtheit bewahrt, was sie wiederum davor bewahrt hätte, ausgerechnet an dem Tag mit ihm zusammen gewesen zu sein, an dem Ramsgate zugeschlagen hatte.
Für sie wäre es besser gewesen, wenn sie sich nie begegnet wären.
„Was wirst du tun?“, fragte sie schließlich.
„Wenn ich ihn gefunden habe?“
Sie nickte.
„Ich weiß nicht. Wenn er Glück hat, erwürge ich ihn nicht sofort. Wahrscheinlich hat er auch hinter dem Überfall in London gesteckt. Der, bei dem wir alle dachten, ich hätte einfach Pech gehabt und wäre an ein paar Strauchdiebe geraten, die es auf eine fette Börse abgesehen haben.“
„Wäre ja auch möglich“, gab sie zu bedenken. „Das kannst du nicht wissen. In London werden dauernd Leute ausgeraubt. Es ist...“
„Verteidigst du ihn etwa?“, fragte er ungläubig.
„Nein! Natürlich nicht. Es ist nur ...Nun ja ...“ Sie schluckte. Als sie weitersprach, klang sie ziemlich kleinlaut. „Du hast nicht alle Informationen.“
Einen Augenblick starrte er sie nur an. Nach einer Weile sagte er: „Ich war in Europa drei Jahre lang vor seinen Männern auf der Flucht. Wusstest du das? Nein? Nun, es stimmt. Und ich habe es satt. Wenn er Rache wollte, so hat er sie bekommen. Drei Jahre meines Lebens, einfach gestohlen. Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie das ist? Wenn einem drei Jahre einfach so gestohlen werden?“
Ihre Lippen öffneten sich, und einen Augenblick glaubte er, sie würde tatsächlich Ja sagen. Sie sah benommen aus, wie versteinert, und dann sagte sie endlich: „Tut mir leid. Sprich weiter.“ „Zuerst will ich dir von seinem Sohn erzählen. Hugh kann ich vertrauen. Dachte ich zumindest immer.“ Daniel schloss einen Augenblick die Augen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Ich weiß nicht, wem ich noch trauen kann.“
„Du kannst...“ Sie verstummte. Schluckte. Hatte sie gerade sagen wollen, dass er ihr vertrauen konnte? Er betrachtete sie aufmerksam, doch sie hatte sich abgewandt, den Blick auf das nahe Fenster gerichtet. „Ich wünsche dir eine gute Reise“, flüsterte sie.
„Du bist wütend auf mich“, sagte er.
Sie fuhr zu ihm herum. „Nein. Nein, natürlich nicht. Ich würde nie ...“
„Dein Leben wäre nicht in Gefahr geraten, wenn du nicht in meinem Karriol gesessen hättest“, unterbrach er sie. Nie würde er sich die Verletzungen verzeihen, die sie seinetwegen erlitten hatte. Das wollte er ihr sagen. „Es ist meine Schuld, dass du ..."
„Nein!“, rief sie laut, sprang aus dem Bett und rannte auf ihn zu, blieb dann aber abrupt stehen. „Nein, das ist nicht wahr. Ich ... ich ... nein“, stammelte sie überfordert. „Es ist nicht wahr.“
Er starrte sie an. Sie war beinahe in Reichweite. Wenn er sich vorbeugte, wenn er einen Arm ausstreckte, hätte er sie am Ärmel zu fassen bekommen. Er konnte sie an sich ziehen, sie könnten ineinander verschmelzen, er in ihr, sie
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