Ein echter Schatz
Straßenseite. Soll ich sie mal fragen?«
»Ja, aber lass nicht durchblicken, dass Dickie bei mir war.«
»Was war los?«, wollte Lula wissen, als ich wieder aufgelegt hatte.
»Morelli dachte, Bob wäre weggelaufen, aber dann hat er ihn doch wiedergefunden. Ich sage mal eben Joyce guten Tag. Bin gleich wieder da.«
Ich ging über die Straße, das Fenster auf der Fahrerseite des Mercedes glitt herunter, und Joyce sah heraus.
»Hallo«, sagte ich. »Wie geht es?«
»Schlecht. Warum setzt du nicht endlich mal deinen Arsch in Bewegung und tust was? Glaubst du vielleicht, ich hätte nichts Besseres zu tun, als dir hinterherzurennen?« Auf dem Beifahrersitz saß Smullens Freundin.
»Ich weiß gar nicht, wie Sie heißen«, sagte ich zu ihr.
»Rita.«
»Seid ihr jetzt ein Team?«
»Nein, aber auf die Weise bin ich wenigstens sicher, dass sie sich nicht an mich heranpirscht und mir heimlich ein Messer in den Rücken rammt.«
»Leck mich doch«, sagte Rita.
»Na gut«, sagte ich. »Ich mache mich dann mal wieder auf den Weg.« Joyce sah zu dem schwarzen SUV, der hinter Rangers Cayenne stand.
»Soll das hier ein Autokorso werden?«
»Das ist Binkie. Er übt sich noch in Überwachungspraktiken.«
Ich ging zurück ins Büro und rief Morelli an. »Hat nichts gebracht«, sagte ich.
»Ich fasse es nicht. Ich habe meinen Zeugen abhauen lassen. Wahrscheinlich werde ich zur Strafe wieder zur Streifenpolizei versetzt.«
»Er war Zeuge, kein Gefangener. Du kannst ihn nicht ans Klo fesseln.«
»Willst du nicht herkommen und mich etwas aufmuntern?«, bat Morelli.
»Dein Zeuge ist weg, und du denkst nur an das Eine.«
»Ich denke immer nur an das Eine.«
»Schlechte Nachricht: Ich habe gerade meine Tage.«
»Na und?«
»Scheiße.«
»Na gut. Stellen wir mein Liebesleben für ein paar Stunden zurück. Ich muss Dickie finden oder Petiak«, sagte Morelli.
»Petiak? Das ist einfach. Ich stelle mich an den Straßenrand und warte darauf, dass er mich kidnappt.«
»Klingt nicht gerade überzeugend.«
»Was, wenn Dickie gar nicht entführt wurde, sondern auf eigene Faust losgezogen ist? Vielleicht sucht er selbst nach dem Geld.«
»Was denn für Geld?«
»Die vierzig Millionen Dollar.«
»Vierzig Millionen Dollar? Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Die vierzig Millionen, die Dickie vom Firmenkonto bei Smith Barney abgehoben hat. Die vierzig Millionen, hinter denen alle her sind, einschließlich Joyce und Rita, Smullens Freundin. Hat Dickie dir nicht von dem Geld erzählt?«
»Wehe, das kleine Arschloch kommt mir zwischen die Finger. Den bringe ich um.«
»Dafür würdest du aus dem Polizeidienst entlassen.«
»Woher weißt du das überhaupt mit dem Geld?«
»Joyce hatte mal ihre Haustür offen stehen lassen. Ich bin zufällig rein und habe mich an ihren Küchentisch gesetzt. Die Tischschublade ist mir praktisch entgegengekommen, und da habe ich so Nummern gefunden…«
»Hör auf. Mehr will ich gar nicht hören«, sagte Morelli.
»Ich habe gerade einen Scheck für eine Festnahme bekommen. Darf ich dich zum Essen einladen?«
»Das wäre nett, aber ich würde nur ungern das Haus verlassen. Könnte ja sein, dass unser Kleiner freiwillig zurückkommt.«
»Du hast Glück. Ich liefere frei Haus.«
Ich verließ das Kautionsbüro und wollte gerade den Schlüssel in den Anlasser stecken, als Ranger anrief.
»Ich bin im Kontrollraum und gucke auf einen Monitor. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich gerade sehe«, sagte er. »Dickie Orr ist in deine Wohnung eingebrochen. Hält der nicht Händchen mit Morelli?«
»Morelli hat gerade angerufen und gesagt, Dickie wäre verschwunden.«
»Tja, und schon haben wir ihn gefunden. Tank ist unter wegs. Halt dich von der Wohnung fern. Geh erst wieder hin, wenn ich dir mein Okay gegeben habe.«
Blödsinn. Ekelpaket Dickie war in meine Wohnung eingebrochen, und ich sollte mich aus allem raushalten? Blödsinn hoch zwei. Ich rammte den ersten Gang rein und kurvte in Burg herum. Als Erstes musste ich Joyce abschütteln. Ich kürzte über die kleine Seitenstraße hinter Angie Kroegers Haus ab, bog scharf nach rechts, fegte über den Parkplatz des Colonial Bar and Grille und kam auf der Broad wieder raus. Zwei Straßen weiter traf ich auf die Hamilton und raste am Kautionsbüro vorbei. Joyce war außer Sicht, ebenso Binkie. Binkie hatte bestimmt seinen Bluetooth eingeschaltet und erkundigte sich im Kontrollraum von RangeMan, wo ich bloß steckte. Der Kontrollraum war an den
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