Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
In der heutigen Zeitung gab es ein Schachproblem, und ich will verdammt sein, wenn ich es lösen kann.«
»Die Lösung ist ganz einfach«, sagte Rebus.
Charters blieb abrupt stehen. »Und zwar?«
»Satteln Sie auf Golf um.«
Charters dachte darüber nach und lächelte dann. Er kam an den Tisch, setzte sich Rebus gegenüber und faltete die Hände. »Können Sie sich ausweisen?«
Rebus holte seinen Dienstausweis heraus. Charters hielt ihn ins Licht und betrachtete ihn aufmerksam, als könne es sich dabei um eine besonders geschickte Fälschung handeln.
»Und das am Sonntagabend«, sagte er, als er Rebus die Karte zurückgab.
»Wie bitte?«
»Ich bekomme nicht eben häufig Besuch, erst recht nicht am Sonntagabend. Und dazu auch noch von einem Polizeibeamten.«
»Ich bin hier, um Ihnen ein paar Fragen über Wee Shug McAnally zu stellen.«
»Ach ja, Hugh.« Abgesehen vom Geistlichen, der ihn getauft, und dem Richter, der ihn verurteilt hatte, war McAnally wahrscheinlich von niemandem jemals »Hugh« genannt worden. Charters schien Rebus’ Gedanken zu lesen. »Ich respektiere den Namen eines Menschen, Inspector. Er ist alles, was wir in diese Welt mitbringen und auch wieder aus ihr mitnehmen. Mein Name wird gelegentlich zu ›Derry‹ verkürzt. Hier drin hat mir das den Spitznamen ›London‹ eingebracht.«
Charters’ Stimme - leise, tonlos - hatte etwas Hypnotisches, und sobald sich sein Blick an Rebus’ Augen geheftet hatte, ließ er sie nicht wieder los.
»Wussten Sie, dass er Selbstmord begangen hat, Mr. Charters?«
»Sehr bedauerlich.«
»Jeder Selbstmord muss polizeilich untersucht werden.«
»Das war mir nicht bekannt.«
»Ob’s Ihnen bekannt ist oder nicht, jedenfalls ist es so. Sagen Sie, hat McAnally viel mit Ihnen geredet?«
»Ununterbrochen. Um ehrlich zu sein, ging es mir auf die Nerven. Selbst wenn ich zu lesen versuchte, laberte er in einem fort auf mich ein, über die belanglosesten Dinge, füllte einfach die Zelle mit Lärm. Als wäre es hier nicht schon so laut genug. Anfangs hatte ich den Verdacht, man hätte ihn mir als eine subtile Form von Bestrafung als Zellengenossen zugeteilt. Sie wissen schon, psychische Folter.«
»Über was hat er denn geredet? Ich nehme an, das waren ziemlich einseitige Angelegenheiten?«
»Es waren reine Selbstgespräche. Was den Inhalt angeht … er redete über sein Privatleben, seine Frau - ununterbrochen über seine Frau. Ich habe das Gefühl, sie so gut zu kennen wie ihr Gynäkologe. Er erzählte von seinen Affären mit anderen Frauen, woran ich nicht einen Augenblick lang geglaubt habe. Und immer, wenn er eine Geschichte beendet hatte, bat er mich, flehte er mich an, ihm meinerseits etwas über mich zu erzählen.« Charters verstummte kurz. »Wie finden Sie das, Inspector? Ich meine, Hugh war schier von sich besessen, und trotzdem unterbrach er sich ab und an ganz plötzlich und fragte mich etwas. Finden Sie das nicht merkwürdig?«
Rebus ignorierte die Frage. »Weswegen saß er?«
»Sehen Sie? Sie haben sich um die Antwort gedrückt! Genau das Gleiche musste ich zwanzigmal am Tag tun.«
»Würden Sie jetzt antworten?«
»Er erzählte mir, er sei wegen Einbruchs hier.«
»Und wenn ich mich nicht irre, sitzen Sie wegen Betrugs, richtig?«
»Interessant«, sagte Charters nachdenklich und klopfte sich mit den Fingern auf die Lippen. »Was hätten Sie eigentlich für einen Grund, mich zu fragen, weswegen Hugh einsaß?«
»Ich war nur neugierig«, improvisierte Rebus, »ob Sie beide je darüber geredet haben. Ich versuche, mir ein Bild von ihm zu machen.«
»Um sich besser vorstellen zu können, warum er sich das Leben genommen hat?«
»Ja.«
»Es versteht sich ja wohl von selbst, dass er sich umgebracht hat, weil er Krebs im Endstadium hatte.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
Wieder lächelte Charters. »Das ist nur geraten.« »Na ja, Sie haben wahrscheinlich Recht, das war wohl der Grund seines Selbstmords. Es erklärt allerdings nicht, wie er es gemacht hat.«
»Sie meinen, dass er sich einen Stadtverordneten als Zeugen seines Abgangs ausgesucht hat?« Rebus nickte. »Haben Sie mal versucht, den Councillor zu fragen?«
»Ja.«
»Und, was hat er gesagt?« Charters versuchte, unbeteiligt-neugierig zu klingen. Rebus starrte ihn an.
»Kennen Sie den Councillor?«, fragte er.
»Ich hatte noch nicht das Vergnügen.«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
Charters lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Allmählich lassen Sie
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