Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
eine gewisse Raffinesse erkennen, Inspector. Unsere Partie kann nur noch interessanter werden.«
»Das hier ist kein Schachspiel, Mr. Charters.«
Charters setzte eine schuldbewusste Miene auf. »Natürlich nicht, entschuldigen Sie.«
»Kennen Sie den Councillor?«, wiederholte Rebus.
»Ich lese Zeitung, Inspector, ich halte mich auf dem Laufenden. Also kann man in gewissem Sinne sagen, dass ich Councillor Gillespie kenne.«
»Und kennt er Sie ?«
»Warum sollte er?«
Jetzt war es an Rebus zu lächeln. Charters hatte von »Raffinesse« gesprochen. Rebus begriff allmählich, dass er indirekt vorgehen musste.
»Sie haben doch früher eine Firma namens Mensung geleitet, richtig?«
»Vor langer Zeit, ja.« Rebus fiel auf, dass Charters zwar nach außen hin sehr gepflegt wirkte, seine Zähne aber eine Farbe wie toter Fisch hatten. »Ihre Themenwechsel gefallen mir, Inspector. Ihre Gedankengänge sind kaum nachzuvollziehen. Es ist schwierig, jemanden, der so sprunghaft spielt, in Zugzwang zu bringen. Warum interessieren Sie sich für eine Firma, die seit sieben Jahren nicht mehr besteht?«
»Ich habe einem Freund erzählt, ich würde mich mit Ihnen unterhalten. Er sagte, er habe an einem Umschulungsseminar teilgenommen, das Mensung auf der Corstorphine Road veranstaltete.«
Die Erklärung schien Charters zufrieden zu stellen. »Für welche Firma hat er gearbeitet?«
»Das weiß ich nicht. Er arbeitet noch immer in der Elektronikbranche, bei einem der Zulieferbetriebe von PanoTech.«
»Dann hat ihm das Seminar ja vielleicht tatsächlich etwas genützt.«
Rebus nickte. »Ich hab gehört, Sie hätten bei der Finanzierung PanoTechs mitgeholfen, als das Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckte.«
Charters hob eine Augenbraue. »So entstehen eben Mythen.«
»Sie hatten also nichts damit zu tun?« Charters schüttelte den Kopf. »Ach, übrigens, warum machte Mensung eigentlich Pleite?«
»Es machte nicht Pleite - ich habe es aufgelöst. Es fing an,
mich zu langweilen, und ich konnte keinen Käufer finden.« Er zuckte die Achseln. »Ich langweile mich schnell.« Er stand auf und fing wieder an, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Wissen Sie, Inspector, Sie haben gesagt, Sie seien hier, um mir ein paar Fragen über Hugh zu stellen. Finden Sie nicht auch, dass wir uns von diesem speziellen Thema ziemlich weit entfernt haben?«
Rebus stand auf.
»Sie gehen schon?«
»Sie amüsieren sich zu gut für meinen Geschmack, Derry . Das ist kein Spaß. Ein Mann ist gestorben.«
Charters blieb stehen. »Ein Mann, der sowieso im Sterben lag. Ein Mann, der seinen Abgang selbst inszeniert hat. Glücklicher als die meisten von uns, würde ich sagen. Wenn die Ärzte mir eröffneten, dass mir nur noch einige wenige qualvolle Monate zu leben bleiben, würde ich mir wahrscheinlich auch eine Kanone besorgen. Aber die Welt würde mir so ungerecht erscheinen - all diese lebendigen und vitalen Menschen um mich herum, all diese Kranken, die in Hospitälern wieder gesund gepflegt werden -, dass ich vielleicht einen Zeugen für all diese Ungerechtigkeit haben wollte, jemanden, der in meinen Augen und in den Augen meiner Mitmenschen die staatliche Autorität verkörpert. Vielleicht würde ich wollen, dass er meine Qual sieht , dass er an meinem Grauen teilhat. Aber es müsste ein leichtes Opfer sein... und ein Stadtverordneter ist ein solches leichtes Opfer - allgemein bekannt, ansprechbar, zugänglich. Ich würde es der Welt zeigen. Ich würde mich weigern , schweigend abzutreten!«
Als Charters verstummte, dröhnte die Stille. Er hatte sich in heftige Erregung hineingesteigert und beruhigte sich nur langsam. In seiner Stimme hatte Zorn mitgeschwungen, und Eifer und Überzeugung. Er starrte Rebus noch immer in die Augen. Er gäbe einen verdammt guten Vertreter ab .
»Das kaufe ich Ihnen nicht ab«, sagte Rebus, während er zur Tür ging.
»Inspector.« Rebus blieb stehen. »Sie haben mich ›Derry‹ genannt - das war billig. Aber abgesehen davon haben Sie sich ziemlich wacker geschlagen.« Er fing wieder an, auf und ab zu gehen. »Ehrlich gesagt, hat Hugh gar nicht so häufig von seiner Frau gesprochen. Es gab eine andere Frau... er beschrieb sie so detailliert, dass ich Ihnen wahrscheinlich selbst jetzt noch ein Bild von ihr malen könnte. Sie hieß Maisie. Er redete ununterbrochen von ihr. Ich glaube, er liebte sie mehr als sonst jemanden auf der Welt. Vielleicht sollten Sie sich mal mit ihr unterhalten.«
»Das habe ich
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