Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
vorstellen, dass ein Gefängnisdirektor - und besonders einer wie Big Jim Flett - auf das bloße Wort der Polizei hin McAnallys Akte verschwinden lässt. Aber wenn hinter dem D. C. C. der Staatssekretär steht... das wäre schon etwas anderes. Schließlich hat das Scottish Office die Finanzen in der Hand.« Er fixierte Hunter. »Und etliches andere mehr.«
»Inspector Rebus«, sagte Hunter ungerührt, »es ist eine Tatsache, dass der Permanent Secretary unmöglich in irgendeine unschöne Affäre verwickelt sein kann. Er muss geschützt werden - zum Wohle des Landes.«
»Selbst wenn er bis über die Halskrause in der Sache mit drin steckt?«
»Selbst dann.«
»Das stinkt zum Himmel«, sagte Rebus. »Was soll die Kassette sein? Eine Versicherungspolice?«
»Ich lege eine Akte an«, erklärte Gunner. »Ganz inoffiziell und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.«
»Und sollte dereinst einmal etwas von der Sache durchsickern …«?
»Wird die Akte beweisen«, führte Hunter den Satz zu Ende, »dass Charters und andere gegen das Gesetz verstoßen haben.«
»Bis hin zum Mord?« Hunter nickte. »Was ist mit Mathieson? Wird auch er belastet?« Rebus lächelte. »Verzeihung, blöde Frage. Klar wird er. Sie werden absolut jeden ans Messer liefern, wenn Sie dadurch nur Ihren Kopf retten, Sie -«
»Heuchler?«, schlug Hunter vor. »Gegen Heuchelei ist nichts einzuwenden, wenn sie dem öffentlichen Wohl dient.«
»Sie wissen doch wohl«, fügte Gunner hinzu, »dass ich Sie aus der Polizei rausschmeißen lassen könnte?«
»Ich würde mich mit Zähnen und Klauen wehren.«
Gunner lächelte. »Das ist mir absolut klar.«
Hunter berührte Gunners Arm. »Wir haben Ihre Gäste lange genug warten lassen, Allan.«
Gunners Blick war noch immer auf Rebus gerichtet. »Unter normalen Umständen, Inspector, wären Sie an unserem Tisch herzlich willkommen.«
»Ich würde mich nicht mal zu Ihrem Leichenschmaus an Ihren Tisch setzen.«
»Nach dem, was ich so höre, sind Sie es, der kurz vor dem Exitus zu stehen scheint.«
»Vergessen Sie eines nicht, Inspector«, sagte Hunter, während er seinen Gehstock betrachtete. » Sie waren bei der Besprechung ebenfalls dabei. Sie sind auf dem Band mit drauf, wie Sie Männern zuhören, die ihre Beteiligung an Straftaten eingestehen. Ich habe nicht gehört, dass Sie sie gewarnt hätten - Sie haben überhaupt nicht gerade viel getan. Sollten jemals Fragen gestellt werden, werden Sie sie wie jeder andere auch zu beantworten haben.«
»Ich begleite Sie zur Tür«, sagte der Chief Constable in spe zu Rebus.
39
John Rebus tat, was er tun musste - er unternahm eine achtundvierzigstündige Sauftour.
Das war in Edinburgh nicht weiter schwierig. Selbst im Winter, ohne den Vorteil der sommerlich verlängerten Öffnungszeiten, konnte man, wenn man systematisch vorging,
rund um die Uhr trinken. Der ganze Trick war ein fliegender Wechsel zwischen lange aufbleibenden Restaurants, Nachtlokalen und früh öffnenden Bars. Natürlich konnte man auch jederzeit zu Hause trinken, aber das wäre nicht der Sinn der Sache gewesen. Der Witz einer Sauftour war dahin, wenn man keinen anderen Zuhörer für seine Geschichten hatte als die eigene versoffene Person.
Rebus machte sich keine Gedanken wegen seiner geschwänzten Dienststunden. Er hatte schon früher Sauftouren unternommen, immer nach verlorenen Fällen, die er verzweifelt zu gewinnen versucht hatte. Jedes Mal hatte er es mit dem Segen seiner Vorgesetzten getan, gelegentlich sogar mit deren finanzieller Unterstützung. Er erinnerte sich undeutlich daran, den Farmer von irgendeinem Pub aus angerufen zu haben, und möglicherweise hatte der Farmer gemeint, Gunner habe sein Okay dazu gegeben. Aber es war schwer zu sagen, ob es wirklich so abgelaufen war.
Noch schwerer war es zu vergessen.
Er schlief vielleicht zwischendurch für eine Stunde, dann wachte er auf, und es dauerte keine fünf Minuten, bis der Knoten in seinen Eingeweiden wieder da war und ihn an Dinge erinnerte, die er lieber vergessen hätte.
Gegen Ende des ersten Tages war er in einer Bar auf der Lothian Road, als er Maisie und Tresa bemerkte, die sich gerade prächtig amüsierten. Sie saßen an einem Tisch. Immer wieder machten sich Männer an sie heran und blitzten ab. Dann sah Maisie Rebus am Tresen, stand auf und schlängelte sich durch das Gedränge zu ihm.
»Wie ich sehe, ist die Trauerzeit vorüber«, sagte Rebus.
Sie lächelte. »Ach, Wee Shug war schon in Ordnung.«
»Warum
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