Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
Minderjährigen verbüßt.«
»Vier Jahre klingt nicht besonders lang.«
»Nein.« Sie saßen einen Augenblick wortlos da, bis Gillespie das Schweigen unterbrach.
»Ich hatte einen Freund, der Selbstmord beging. Er war noch auf der Universität - es ist eine ganze Weile her. Er hatte Angst vor den Examina, und seine Freundin war ihm auch davongelaufen.« Er hielt inne. »Meinetwegen, sollte ich wohl hinzufügen.«
»Stört es Sie, wenn ich rauche?«, fragte Rebus.
»Ich dachte, in Polizeirevieren sei Rauchen verboten.«
»Wenn es Sie stört, zünde ich sie nicht an.« Er steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und bot Gillespie auch eine an. Der Stadtverordnete schüttelte den Kopf.
»Es wäre mir lieber, wenn Sie sie nicht anzünden würden.«
»Kein Problem«, sagte Rebus und steckte Zigaretten und Feuerzeug wieder ein. Na, dachte er, das ist interessant. Auf das Examen hat sich der Typ gründlich vorbereitet. Erzählt eine persönliche Geschichte, eine, die ihn nicht gerade im günstigsten Licht erscheinen lässt, und macht anschließend seine Autorität geltend. Und dabei sollte es lediglich um ein paar ergänzende Fragen gehen.
»Wie hat er es getan?«, erkundigte sich Rebus.
»Wer?«
»Ihr Freund.«
»Hat sich aus dem Fenster des Wohnheims gestürzt. Fünfter Stock. Er war noch am Leben, also hat man ihn ins
Krankenhaus geschafft und auf Knochenbrüche und innere Blutungen hin untersucht. Die Ärzte waren damit so sehr beschäftigt, dass sie nicht merkten, dass er vor dem Sprung eine Überdosis genommen hatte.«
»Nun«, sagte Rebus, »das sind beides ziemlich häufige Methoden, nicht? Man macht einen Sprung oder ein Nickerchen. Mr. McAnally dagegen...«
»Sie waren auf der Forth-Brücke, stimmt’s? Als diese zwei Jungs gesprungen sind? Ich habe Ihren Namen in der Zeitung gelesen.«
»Wir sind hier, um uns über McAnally zu unterhalten, Councillor.«
»Na ja, Erschießen ist aber doch wohl auch eine beliebte Art, sich umzubringen.«
»Vielleicht unter Schusswaffenbesitzern, aber McAnally besaß keine Schusswaffe und hatte vermutlich noch nie zuvor eine benutzt.«
Gillespie nahm das eine Bein herunter und schlug das andere über. »Aber bei seiner Vergangenheit dürfte er kaum Probleme damit gehabt haben, sich eine Schusswaffe zu besorgen.«
»Zugegeben«, sagte Rebus. »Trotzdem...«
»Was?«
»Wozu die ganzen Umstände? Ich meine, selbst wenn man fest entschlossen ist, sich den Kopf wegzupusten - warum sollte man dazu extra von Tollcross nach Warrender laufen, mitten in einem Schneesturm, mit dem großen schweren Ding in der Jacke? Und warum sollte man dazu in eine Schule gehen, die überhaupt nur an einem einzigen Abend im Monat offen ist?« Rebus war aufgestanden. Er lehnte sich mit dem Gesäß an die Tischkante und verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum sollte man in ein bestimmtes Klassenzimmer gehen und sich vergewissern, dass Councillor Gillespie anwesend ist? Warum sollte
man das tun? Warum lag ihm so viel daran, sich speziell vor Ihnen um einen Kopf kürzer zu machen? Keine anderen Zeugen, keine anderen Gäste zugelassen. Das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Na ja, der Mann war sichtlich nicht bei Verstand... stand vielleicht unter Drogen.«
»Ich hab gerade die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung gesehen. Das polizeitechnische Labor hat diese ganzen tollen Apparaturen -
»In Howdenhall?« Rebus nickte. »Ja, ich weiß. Ich war bei der Einweihung dabei.«
»Jedenfalls zeigen die Untersuchungen, dass der Tote ein paar Drinks geschluckt hatte, aber keinerlei Drogen, nicht eine einzige Schmerztablette.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Inspector?«
Rebus drehte sich herum und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Er stand über Gillespie gebeugt, und dem war das gar nicht angenehm.
»Sehen Sie, Councillor, Wee Shug Anally hatte nicht mehr lange zu leben. Er war schon so gut wie tot. Seine Innereien waren völlig zerfressen, und er hätte eigentlich bis an die Kiemen mit Medikamenten abgefüllt sein müssen, um den Schmerz überhaupt ertragen zu können. Aber von diesen Pillen kriegt man einen Matschkopf, und Wee Shug wollte das nicht. Er wollte bei klarem Verstand sein, wenn er abdrückte.« Rebus richtete sich wieder auf. »Ergibt immer weniger Sinn, was?« Er steckte sich die Zigarette wieder in den Mund.
»Hören Sie, ich verstehe nicht, was das alles mit mir zu tun haben soll.«
»Ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Ich weiß nur, dass es
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