Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
irgendetwas mit Ihnen zu tun hat.Was könnte das wohl sein?«
Gillespies Oberlippe glänzte vor Schweiß. Der Councillor nahm die Brille ab und massierte sich den Nasenrücken
mit Daumen und Zeigefinger. Rebus ging ans entgegengesetzte Ende des Zimmers und zündete seine Zigarette an. Er nahm nicht an, dass der Stadtverordnete Einwände erheben würde.
»Hören Sie«, sagte Gillespie leise, »ich kann wirklich keinerlei Verbindung zwischen mir und diesem McAnally erkennen, nicht die geringste. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, nie von ihm gehört, und er wohnte nicht in meinem Wahlbezirk.« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht hatte er so eine Art Rachewahn, wegen irgendeines Erlebnisses während seiner Haftzeit.«
Rebus ging langsam zum Tisch zurück und nahm Gillespie gegenüber Platz. »Und das ist alles?«, sagte er. » Das ist Ihre Erklärung?«
»Ich habe keine Erklärung! Ich versuche nur... geben Sie mir bitte eine Zigarette.«
Rebus gab ihm auch Feuer.
Gillespie betrachtete die Glutspitze und sah dann Rebus an. »Warum tun Sie das?«
»Ich hab’s Ihnen schon gesagt, Councillor, ich muss einen Bericht über einen plötzlichen, gewaltsamen Todesfall schreiben, und es gibt gewisse Ungereimtheiten.«
»Sie meinen, Sie wissen nicht, warum er es getan hat?«
»Genau das meine ich.«
»Nun, da kann ich Ihnen leider auch nicht helfen.« Gillespie stand auf und machte Anstalten zu gehen.
»Können oder wollen Sie nicht?«
Gillespie warf Rebus einen wütenden Blick zu und setzte sich dann wieder. »Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass ich glaube, dass Sie etwas verbergen.«
»Nämlich?«
»Das muss ich eben herausfinden... bevor ich meinen Bericht abschließen kann.«
»Sind alle Polizisten so wie Sie?«
»Nein. Mit manchen von ihnen würden Sie bestimmt nicht Bekanntschaft machen wollen.«
»Oh, ich habe schon mit einer ganzen Reihe von ihnen Bekanntschaft gemacht. Ein Kollege von mir - nicht District, sondern Regional Councillor, aber selbe Partei - ist Vorsitzender des Lothian and Borders Joint Police Board.« Gillespie zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch in einem dünnen Strahl aus. »Er ist ein guter Freund von mir.«
»Es ist immer eine feine Sache, Freunde zu haben«, meinte Rebus.
Gillespie stand wieder auf. »Hören Sie -«, setzte er an. Er machte eine Geste mit den Armen, als habe er sich entschlossen, etwas zu sagen, was er lieber für sich behalten hätte. »Ich hatte versprochen...« Er seufzte und setzte sich wieder hin. »Das hat möglicherweise nichts zu bedeuten, Inspector.« Rebus konzentrierte sich ganz auf die Asche, die er gerade von der Spitze seiner Zigarette abstreifte. »Es geht um Helena, Helena Profitt.«
»Ihre Sekretärin?«
»Sie... sie hat mir gesagt, dass sie ihn kannte.«
»McAnally?«
Gillespie nickte. »Als McAnally ins Zimmer kam und sie sah... da hat er einen Augenblick lang die Augen aufgerissen. Ich hab sie später daraufhin angesprochen, und sie erzählte mir, sie habe ihn vor vielen Jahren gekannt. Mehr wollte sie nicht sagen.«
12
»Was ist mit Ihrem Mund?«
»Hm?«
»Sie stochern ständig mit dem Finger darin herum.«
»Es ist nichts.« Aber Rebus wusste, dass sehr wohl was war; er hoffte nur, es würde sich von selbst erledigen. Er verspürte einen Druck im Zahnfleisch und in der Oberlippe, ein dumpfes, unangenehmes Gefühl, das sich jetzt beidseits der Nase ausbreitete. Es fühlte sich so an, als sei sein ganzes Gesicht geschwollen, aber es war lediglich ein bisschen rot unter der Nase - und das hätte genauso gut von der Trinkerei oder von der Kälte kommen können.
»Wessen Schnapsidee war das eigentlich?«, fragte er und verschränkte schlotternd die Arme vor der Brust. Sie gingen den Strand von Portobello entlang - die Einzigen, die verrückt genug waren, diesem arktischen Orkan zu trotzen.
»Meine«, sagte Mairie Henderson.
Rebus hatte in Erwartung eines heißen Getränks und eines weichen Sofas an ihrer Wohnungstür geklingelt, aber stattdessen hatte sie ihn zu einem »Verdauungsspaziergang«, wie sie es nannte, hinausgeschleift.
»Man bräuchte schon die Verdauung einer Anakonda, um das zu überleben«, brummelte Rebus in sich hinein. Die Sturmböen bewirkten, dass er kaum ein Wort von dem verstand, was Mairie sagte, und immer wenn er den Mund öffnete, um eine Erwiderung zu brüllen, strömte die eisige Luft hinein und attackierte seinen Zahn. Mairie rannte zu einer Mauer und kauerte sich in ihren
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