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Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman

Titel: Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin Giovanni Bandini Ditte Bandini
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Stuhl neben Rebus.
    »Weit aufmachen.«
    Im Hintergrund lief Musik. Radio Two, das man gut und gern als Placebosender bezeichnen konnte. Rebus öffnete die Augen und starrte an die Decke. Dort hing ein Foto, eine stark vergrößerte Schwarzweiß-Luftaufnahme Edinburghs, von Trinity im Norden bis hinunter zu den Braid Hills. Er fing an, die Straßen im Kopf abzufahren.
    »Sieht wie ein kleiner Abszess aus«, sagte der Zahnarzt. Er legte ein Instrument aus der Hand und nahm ein anderes, um damit gegen einen Zahn zu klopfen. »Spüren Sie etwas?« Rebus schüttelte den Kopf. Die Sprechstundenhilfe hatte sich zu ihnen gesellt. Dr. Keene sagte etwas zu ihr in einer Sprache, die der Patient nicht verstehen sollte, und fing dann an, Rebus’ Mund mit Watte auszupolstern.
    »Ich werde jetzt den Zahn von hinten aufbohren, damit der Eiter abfließen kann. Dadurch vermindert sich der Druck. Der Zahn ist ohnehin tot, später werde ich eine Wurzelbehandlung machen. Aber fürs Erste muss der Abszess geöffnet werden.«
    Rebus fühlte Schweiß auf seiner Stirn. Ein U-förmiges Rohr wurde in den Mundwinkel eingehängt und begann, seinen wenigen noch vorhandenen Speichel abzusaugen.
    »Zunächst eine kleine Spritze. Wird ein, zwei Minuten dauern, bis sie wirkt.«
    Rebus starrte an die Decke. Da ist Calton Hill, wo Davey Soutar endete. Da ist St. Leonard’s... und Great London Road. Hyde’s Club war grad ein paar Schritte weiter. Aaaau! Da ist Stenhouse, wo Willie und Dixie wohnten. Das Saughton-Gefängnis war ganz deutlich zu erkennen, ebenso die Warrender School, wo McAnally sich den Kopf weggeschossen hatte. Er bekam ein Gefühl dafür, wie die Straßen miteinander zusammenhingen und mit ihnen das
Leben der Menschen, die in ihnen lebten und starben.Willie und Dixie hatten Kirstie Kennedy gekannt, deren Vater wiederum der Lord Provost war. McAnally hatte sich einen Councillor als Zeugen seines Selbstmords ausgesucht. Die Stadt mochte eine ganz ansehnliche Ausdehnung haben, ihre Bevölkerungszahl die halbe Million erreichen, aber es ließ sich nicht bestreiten, dass alles aufs Engste miteinander verknüpft war, all die kreuz und quer verlaufenden Linien, die dem Ganzen seine Festigkeit verliehen...
    »Jetzt«, sagte der Zahnarzt im Hintergrund, »könnte es ein bisschen unangenehm werden...«
    Rebus hetzte die Straßen entlang. Marchmont, wo er wohnte;Tollcross,Tresa McAnallys Viertel; South Gyle, als das Foto aufgenommen wurde, gerade erst im Entstehen begriffen. Von den neueren Bauarbeiten am Stadtrand war noch nichts zu erkennen. Er sah Gruben und Ödflächen, wo jetzt Gebäude und Straßen waren. Und Gott im Himmel, tat das weh!
    »Ah«, sagte Dr. Keene endlich, »das hätten wir.« Rebus spürte, wie ihm etwas Widerliches die Kehle hinunterrann. Der Druck hinter der Nase begann nachzulassen.Wie wenn man einen Radiator entlüftet, dachte er. »Man braucht nur in die Eiterhöhle zu bohren«, sagte der Zahnarzt gerade, fast wie zu sich selbst, »und der Druck lässt nach.«
    Ja, dachte Rebus, das stimmte.
    Dann sah sich der Zahnarzt seine übrigen Zähne an. Die Sprechstundenhilfe hielt eine Karteikarte in der Hand und schrieb mit, während Dr. Keene eine Litanei kariösen Verfalls herunterbetete.
    »Ich werde keine dieser Füllungen heute machen«, sagte er zu Rebus’ Erleichterung.
    Schließlich durfte er ausspülen und ausspucken. Dann nahm ihm die Sprechstundenhilfe das gummierte Schlabberlätzchen
vom Hals. Rebus tastete mit der Zunge seine Mundhöhle ab. An der Rückseite eines Schneidezahns gähnte ein Loch.
    »Wir müssen das ein paar Tage offen lassen. Sobald alles abgeflossen ist, kann ich die Wurzelbehandlung machen. Einverstanden?« Er lächelte Rebus an. »Ach, übrigens, wann haben Sie sich die Zähne zuletzt untersuchen lassen?«
    »Vor elf, zwölf Jahren.«
    Der Zahnarzt schüttelte den Kopf.
    »Ich schreibe Ihnen jetzt Ihre Termine auf«, sagte die Sprechstundenhilfe und verließ das Zimmer. Dr. Keene streifte seine Latexhandschuhe ab und ging sich die Hände waschen.
    »Jetzt, wo wir alle Handschuhe tragen«, erklärte er, »brauche ich sie mir eigentlich gar nicht zu waschen. Aber ich habe es dreißig Jahre lang getan, und da ist es schwer, sich das abzugewöhnen.«
    »Tragen Sie die Handschuhe wegen AIDS?«
    »Ja. Schön, dann auf Wiedersehen, Mr. -«
    »Genau genommen Inspector Rebus.«
    »Ach?«
    »Könnte ich Sie vielleicht kurz sprechen?« Rebus wusste, dass er nuschelte - die Anästhesie hatte seine

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