Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
»Gehen wir in mein Büro.«
Er führte Rebus hinter den Tresen und sagte dem Fisch-Dipper, dass er ihn in fünf Minuten ablösen würde. Dann drückte er eine Tür auf und führte Rebus in eine kombinierte Küche und Vorratskammer. Sackweise Kartoffeln warteten darauf, geschält zu werden, und zwei große Kühlschränke summten.
»Ich hoffe, Sie sind nicht vom Gesundheitsamt«, sagte Gerry Dip, während er sich an der Spüle ein Glas Wasser holte und in einem Zug austrank. »Ich weiß natürlich, wer Sie sind, mit der Zeit kann man’s am Geruch erkennen.«
Rebus ging über die Bemerkung hinweg. »Vor ein paar Wochen ist ein Mann aus Block C entlassen worden. Er hat sich eine Schrotflinte in den -«
»Wee Shug.« Dip nickte. »Ich kannte ihn, hab ein paarmal mit ihm Karten gespielt, über die Glotze und Fußball geredet.« Dip füllte sein Glas nach. »Man ist von sechs Uhr früh bis abends um neun auf, vor zehn wird das Licht nicht ausgemacht. Da lernt man die Leute schon kennen. Außerdem hab ich mit ihm in der Polstererwerkstatt gearbeitet. Er meinte, er würde bei Gelegenheit hier im Laden vorbeischauen - und dann hab ich in der Zeitung von der Sache gelesen.«
»Hatten Sie gewusst, dass er krank war?«
»Er lief dauernd zum Arzt, hat aber nie darüber geredet. Ich wusste, dass er irgendwelche Pillen nahm.Wir wollten,
dass er sie rumgehen lässt, damit wir uns zudröhnen konnten. Was hatte er denn?«
»Krebs.«
»Hat er sich deswegen umgebracht?«
»Wär möglich.«
»Tja, wenn Sie was über Wee Shug wissen wollen, dann sollten Sie sich mit seinem Zellenkumpel unterhalten. Also das war vielleicht’ne beschissene Type. Eingebildeter Fatzke, blieb in der Zelle, selbst wenn er gar nicht musste.«
Big Jim Flett hatte einen Zellengenossen erwähnt; plötzlich begriff Rebus, warum Flett am Ende ihres Gesprächs so erleichtert gewirkt hatte.
»Gerry, weswegen saß Wee Shug?«
»Einbruch.«
»Sind Sie da sicher?«
»So hab ich’s jedenfalls gehört.«
»Nicht Vergewaltigung?«
»Was?«
Nein, dachte Rebus, denn Vergewaltiger werden normalerweise von den übrigen Häftlingen isoliert. Aber der Direktor hatte erwähnt, dass Wee Shug keine Einzelzelle gehabt hatte.
»Er saß nicht wegen Vergewaltigung«, sagte Gerry Dip.
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Wir hätten’s erfahren.«
»Er hätte es Ihnen kaum auf die Nase gebunden.«
»Nein, aber die Schließer - irgendjemand hätte garantiert geplaudert. Das ist ein Geheimnis, das man nicht für sich behalten kann.«
»Es sei denn«, sagte Rebus leise, »niemand wollte , dass Sie was davon erfahren.«
25
Rebus rief von einer Telefonzelle in der Nähe von St. Leonard’s beim CID an und bat, ohne seinen Namen zu nennen, entweder mit D.S. Holmes oder mit D.C. Clarke verbunden zu werden.
Es war ein Morgen mit kaltem, stetigem Ostwind, der eine dicke Nebelbank von der Küste her über die Stadt trieb. Einer jener Morgen, an denen man sich in die Vergangenheit zurückversetzt fühlte und eher erwartet hätte, eine Kutsche rasselnd und klappernd aus dem Nebel auftauchen zu sehen als Autos mit aufgeblendeten Scheinwerfern. Rebus’ Haut und Kleidung fühlten sich feucht an.
»D.C. Clarke am Apparat.«
»Ich bin’s. Ich möchte, dass Sie einen Namen im Computer überprüfen.«
»Tja, momentan geht’s hier ziemlich chaotisch zu. Letzte Nacht gab’s einen kleinen Brand, ein Papierkorb ist in Flammen aufgegangen. Ziemlich mysteriöse Sache, zu dem Zeitpunkt war niemand im Haus.«
»Oha.«
»Der Chief Super hat eine Untersuchung angeordnet. Bis dahin ist das halbe Büro abgesperrt.«
»Aber der Computer ist heil geblieben?«
»Beschädigt sind nur der Papierkorb und der Schreibtisch daneben. Es war Inspector Flower, der den Brand entdeckt hat.«
»Wirklich?«
»Er hat die Flammen mit einem Mantel erstickt. Es war Holmes’ Mantel.«
»Der, den er von Nell zu Weihnachten bekommen hatte?«
»Genau den. Welchen Namen soll ich nun überprüfen?«
»Charters.« Er buchstabierte ihn ihr. »Einen Vornamen habe ich nicht, aber er sitzt eine Strafe in Saughton ab. Ich bräuchte seine Akte. Ich bin in einer Telefonzelle hundert Meter von St. Leonard’s. Es gibt ein Café gegenüber vom Hobbymarkt, ich warte dort auf Sie.«
»Ich mach so schnell ich kann.«
»Die Doughnuts gehen auf meine Rechnung.«
Aber als Siobhan Clarke endlich im Café eintraf, bestellte sie sich ein Spiegelei-Sandwich; dann reichte sie Rebus einen braunen
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