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Ein Ende des Wartens

Ein Ende des Wartens

Titel: Ein Ende des Wartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Knieps
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ausgezogen war – als sich die Chance dazu bot. Danach hatte sie in vielen Situationen lernen müssen, dass auf eigenen Beinen zu stehen bedeutete, dass man sich Gedanken über einfach alles machen sollte. Auch wenn sie das Finanzielle nach und nach an Marco abgegeben hatte, so wusste sie dennoch sehr genau, welche Lebensmittel und Einkaufsgüter sich in ihrem Haushalt befanden. Außerdem vergaß sie niemals etwas Wichtiges, denn sie schrieb sich alles auf – von Geburtstagen über Veranstaltungen bis hin zu Erinnerungen, dass ihr jemand mal etwas Gutes getan hatte. Einfach nur, um sich daran zu erinnern, dass vielleicht eines Tages der Moment kommen konnte, an dem sie dem anderen etwas Gutes tun konnte.
Sie fuhren schweigend weiter, und nach einer Weile vernahm Annika Tammys leises Schnarchen. Sie konzentrierte sich auf die Straße und musste sich selbst eingestehen, dass sie noch eine lange Fahrt vor sich hatten, ohne dass sie wusste, ob sie die lange Strecke durchhalten konnte.
Ob sie irgendwann Tammy fahren lassen sollte? Oder ob sie versuchen sollte, bis zum Meer durchzufahren, weil Tammy wohl nicht sehr sicher mit diesem großen Wagen fahren würde? Vor allem aber musste Annika aufpassen, dass ihr nicht auch die Augen zufielen, denn die Uhrzeit, zu der sie normalerweise schlafen ging, war schon seit einigen Stunden vorbei, und bisher war sie vor allem aufgrund des Adrenalins wach geblieben. Doch mit jeder Minute, in der nichts passierte, außer dass sie zwei weitere Kilometer auf einer kaum befahrenen Autobahn hinter sich brachte, wurde es schwerer und schwerer für Annika, ihre Augen aufzuhalten.
Um sich zu beschäftigen, begann sie, sich selbst Fragen zu stellen. Gleich kam ihr Carmen in den Kopf, und Annika musste bei dem Gedanken lächeln, dass Carmen beinahe sogar mitgekommen wäre, wenn sie nicht eingesehen hätte, dass dieser fluchtartige Ausbruch eine Angelegenheit der beiden Mädels war. Viel weniger Spaß hätten sie zu dritt wohl nicht gehabt, denn Carmen war nicht unbedingt als Spaßbremse bekannt – ganz im Gegenteil!
Wie unterschiedlich doch ihre beiden Mütter waren! Diesen Unterschied hatte Annika schon immer veranlasst, darüber nachzudenken, ob sie sich als Heranwachsende eine Mutter wie Carmen gewünscht hatte, eine Frau, die ihre Tochter mehr liebte als alles andere auf der Welt, deren Leben aber auch einem inzwischen immer mehr geordneten Chaos glich, in dem man sich bei Carmen rückversichern sollte, wenn man unbedingt etwas benötigte. Denn Tammys Mutter hatte das unwahrscheinliche Talent, gerade diese Sachen, die man am dringendsten von ihr benötigte, am ehesten zu vergessen. Worüber andere Menschen mehrfach an einem Tag nachdachten und sich zu erinnern versuchten, schien Carmen bei steigender Wichtigkeit umso weniger davon zu behalten. Es gab Momente, in denen sie voller Stolz eine der unwichtigsten Sachen der Welt präsentierte, während sie vergaß, etwas Zentrales für sich oder für jemand anderes zu erledigen.
Annikas Mutter war ganz anders gewesen. Strikt, sortiert, immer auf der vorgegebenen Linie. Ausbrechen war Sünde, die Linie ganz verlassen war quasi ein Weltuntergang. Da Annika gerade in der Zeit des Heranwachsens nicht der Typ Mensch gewesen war, der immer auf geradem Weg zu ihren Zielen kam, eckte sie ein um das andere Mal mit ihrer Mutter an, was auch zu dem verfrühten Auszug aus dem elterlichen Heim geführt hatte.
Aber hätte sich Annika lieber Carmen als Mutter gewünscht? Sie war sich sicher, dass sie von ihrer Mutter wahrscheinlich genauso geliebt wurde wie Tammy von ihrer Mutter. Doch das Zeigen der Liebe war bei beiden grundlegend unterschiedlich. Während Annikas Mutter ihre Liebe zu ihren Kindern ausdrückte, indem immer alles gemacht war, damit diese einen möglichst einfachen Tag in der Schule oder in ihrer Freizeit verbringen konnten, herzte Carmen Tammy bei jeder Gelegenheit oder führte mit ihr stundenlange Gespräche, als wäre sie die beste Freundin. Im Gegensatz dazu war es nicht selten vorgekommen, dass Tammy als Jugendliche zu spät für die Schule aufstand und dann keine frische Wäsche in ihrem Schrank vorfand, weil Carmen das Waschen vergessen hatte. Und dass Tammy den Kühlschrank öffnete und außer einer offenen Flasche Martini nichts anderes fand, wäre für Annikas Mutter einem sofort zu vollstreckenden Todesurteil an sich selbst gleich gekommen.
Am Ende war sich Annika bewusst, dass diese theoretische Frage, auf die sie auch keine

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