Ein Ende des Wartens
würde, verzögerte sie und ordnete sich hinter dem LKW ein, um gleich darauf aufs Gas zu drücken. Der Wagen schaltete automatisch einen Gang zurück, nahm Anlauf und schoss an dem LKW vorbei, so sehr beschleunigend, dass Annika kurz darauf wieder vom Gas ging, sich rechts einordnete und die Geschwindigkeit auf ihre normale Reisegeschwindigkeit fallen ließ.
In der Zwischenzeit hatten die beiden kein Wort miteinander gesprochen, doch als sich der Wagen sicher zurück auf der Autobahn befand, diskutierten die Freundinnen über das, was sie am Meer erwarten würde. Annika gab zu, dass sie noch nie zuvor am Meer gewesen war, und Tammy schaute sie ungläubig an.
Doch, das wäre die Wahrheit, beschwor Annika ihre Freundin, und daher wäre ihr Ausflug umso interessanter, denn Marco sei immer der Typ gewesen, der in die Berge wandern gehen wollte. Er war nicht der Typ Mensch, der sich faul an den Strand legte, um dort in der Sonne vor sich hin zu dösen, sondern er musste immer aktiv sein – als Befreiung seines Körpers und seines Geistes, wie er es stets nannte.
Als Befreiung seines Körpers und seines Geistes, wiederholte Tammy Annikas Erklärung mit einem spöttischen Tonfall.
Aus einem inneren Reflex heraus wollte Annika bereits ihren Freund vor dieser offensichtlichen Beleidigung schützen, doch dann dachte sie sich, dass es wohl merkwürdig wirken würde, wenn sie vor ihrer besten Freundin ihren Freund in Schutz nahm, der ihr gerade mehr oder minder symbolisch den Laufpass gegeben hatte.
Worüber sie nachdenke, fragte Tammy nach einer Pause, die Annika wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war.
Was?, kam nur zurück.
Worüber sie nachdenke, wiederholte Tammy. Sie müssen mit ihren Gedanken irgendwo ganz woanders sein, nur nicht bei dem Gespräch zwischen ihnen beiden.
Sie habe gerade über Marco nachgedacht, meinte Annika ehrlich und schob nach, dass sie ihn instinktiv verteidigen wollte, sich aber nicht sicher sei, ob das angebracht war.
Natürlich nicht, protestierte Tammy lautstark. Immerhin habe er sie wie Dreck behandelt, wie den Dreck, den man einfach von seinen Schuhsohlen abstreife.
So habe er sie nicht behandelt, wehrte sich Annika nun instinktiv doch, ohne dass sie es wollte.
Sie schütze ihn also doch, kommentierte Tammy diese unüberlegte Aussage ihrer Freundin und fixierte Annikas kurzen Blick. Außerdem wäre es besser, wenn sie wieder auf die Straße schauen würde, da sie nicht mehr geradeaus fuhren.
Annika reagierte mit einem ruckartigen Schlenker und sprach weiter, als der Wagen normal und sicher zurück auf der Straßenbahn lag.
Sie schütze Marco nicht unbedingt, aber die Aussage, dass er sie wie Dreck unter den Schuhsohlen behandelt habe, stimme ja wohl auch nicht, meinte Annika.
Wie würde sie es denn dann beschreiben? Sie sage nur, wie sie es von außen empfinde, und wenn sie darüber nachdenke, habe Marco Annika wie Dreck behandelt. Als ein Gegenstand, der sich in seinem Leben befindet und für den er keine Verantwortung übernehmen müsse. Den er einfach aus seinem Leben drängen können, weil er es jetzt für richtig empfand.
Vielleicht habe er nur Angst, dass sie ihn verließe, versuchte Annika Marcos Position und damit eine gegen Tammy einzunehmen, und je länger er seine Pläne vor ihr verborgen habe, desto schwerer wurde es für ihn, sich zu öffnen.
Sodass er es einfach verschwieg, bis es nicht mehr ging? Diese Frage stellte Tammy mit einer Entrüstung, die Annika bisher nur sehr selten von ihrer Freundin gehört hatte.
Sie habe keine Ahnung, was in Marco vorgegangen sei, dass er es ihr nicht gesagt habe! Aber jetzt sei es nun mal so, dass sie sich mit der Situation abfinden müsse. Es sei, wie es sei und nicht anders. Daran könne sie nun auch erst einmal nichts ändern, protestierte Annika.
Doch, das könne sie! Indem sie Marco einfach aus ihrem Leben verbanne!
Wie solle sie das machen? Sie hätten eine gemeinsame Wohnung, wehrte sich Annika, der in diesem Moment einfiel, dass sie Tammy noch nichts über den Brief gesagt hatte.
Sie solle einfach seinen Eltern reinen Wein einschenken, sagen, dass es zwischen ihnen beiden aufgrund seines Verhaltens aus sei, und dass sie gemeinsam eine Lösung finden müssten. Egal, ob Marcos Eltern sie nicht mögen oder sie für zu schlecht für ihren Sohn halten – ihren Sohn würden sie dennoch beschützen. Und wenn es das Ziel hat, die ungeliebte Annika aus ihrem Leben zu verbannen – umso besser.
Tammy Worte brannten in
Weitere Kostenlose Bücher