Ein Ende des Wartens
hochfuhren.
Annika stockte und sagte kein Wort. Auch hatte sie gerade eine völlige Stille in ihrem Kopf; es schien, als ob sich aus Angst alle ihre Gedanken irgendwo versteckt hatten.
Im Gegensatz dazu reagierte Tammy fast augenblicklich auf die Frage und sagte dem Trampenden, dass sie ihn auf keinen Fall mitnehmen würden. Immerhin seien sie zwei Frauen und könnten nicht das Risiko eingehen, dass er ein Gewalttäter sei, der nach Dänemark flüchtete.
Annika traute ihren Ohren kaum, als sie hörte, was Tammy dem Trampenden, der für sie nun wirklich wie ein Gewalttätiger aussah, an den Kopf warf, doch umso erstaunlicher war es für sie, dass der Mann einfach klein beigab, sich umdrehte und für sich entschied, dass es wohl keinen Sinn hatte, weiter um eine Mitfahrgelegenheit zu fragen.
Annika blickte dem Mann mit dem Riesenrucksack hinterher, wie er sich zur anderen Seite der Tankstelle zurückzog, dorthin, wo die Tanksäulen auf hungrige Autotanks warteten. Dort ergaben sich sicherlich mehr Möglichkeiten als hier am Rand des Tankstellengebäudes.
Sie sei sehr harsch gewesen, kommentierte Annika Tammys Verhalten, doch diese wiegelte ab.
Diesen Pennern müsse man klar sagen, was man von ihnen denke, denn bekämen die noch das Gefühl, dass sie einen überzeugen können!
Sie finde nicht, dass das ein Penner war, hielt Annika dagegen, als die beiden sich zu ihrem Auto aufmachten. Klar hätten sie ihn nicht mitgenommen, aber ihn gleich als Gewalttäter zu beschimpfen…
Sie habe ja nicht gesagt, dass er einer ist, wehrte sich Tammy. Sie habe nur gesagt, dass sie beide nicht das Risiko eingehen werden, dass er vielleicht einer ist. Damit sage sie nicht, dass er einer ist…
Aber sie deute schon an, dass sie ihn seltsam fände, meinte Annika und öffnete die Zentralverriegelung des Autos, an dem sie angelangt waren. Sie stellte den Kaffeebecher auf das Dach, schaute sich nach allen Seiten um und biss in das Croissant, das nicht ganz die Erwartungen hielt, die es im Aussehen vorgegeben hatte. Aber es war auch nicht schlecht, und so aßen und tranken die beiden schweigend in der Nacht auf dem Tankstellenrastplatz ihre Snacks.
Noch war nirgendwo am Himmel auch nur der leiseste Silberstreifen der Morgendämmerung zu sehen, als die beiden ihren Müll in einen nahestehenden Mülleimer schmissen, ins Auto stiegen und Annika den Motor wieder anließ.
Gestärkt und erfrischt von dem kurzen Zwischenhalt konnten sie die letzte Reststrecke der Fahrt angehen – noch knappe fünfzig Kilometer trennten sie von ihrem Ziel. Einem Ziel, das keiner der beiden kannte und das umso mehr Spannung verhieß, da es auf der Karte aus reiner Willkür ausgewählt worden war.
Tammy war nach dem Kurzaufenthalt an der Tankstelle nun so wach, dass sie sich zwar unter die Decke verzog, aber die Augen offen hielt. Als Annika den Wagen auf die Autobahn gelenkt hatte, kam ihre Freundin noch mal auf den Anhalter zurück.
Sie fand den Typen schon sehr merkwürdig. Denn wenn sie es sich recht überlege, dann sind es doch meistens die Unscheinbaren, denen man es nicht zutraut, die dann irgendwas machen würden.
Aber sie seien doch zu zweit und der Anhalter sah jetzt wirklich nicht sehr stark aus, widersprach Annika und nahm ungewollt eine Position für den Tramper ein, obwohl sie heilfroh war, dass sie ihn nicht mitgenommen hatten. Aber Tammys völlig ablehnende Haltung ging ihr genauso gegen den Strich.
Ob nun gefährlich oder nicht – sie fände es richtig, dass sie ihn nicht mitgenommen haben, meinte Tammy und blickte demonstrativ aus dem Seitenfenster.
Sie sei ja auch nicht unglücklich, dass sie ihn zurückgelassen hätten, gab Annika zu, aber ihn gleich als gefährlich zu bezeichnen – damit hatte sie ein kleines Problem. Wie der sie beide angestarrt hatte, als Tammy ihm das mehr oder minder ins Gesicht gesagt habe.
Sie habe es ihm nicht ins Gesicht gesagt, sondern nur gemeint, dass sie es nicht abschätzen könnten und ihn deswegen nicht mitnehmen könnten. Da läge ein himmelweiter Unterschied dazwischen, wehrte sich Tammy.
Es klang schon ein bisschen wie ein Generalverdacht, unter den sie den Typen gestellt habe. Das sei alles, was sie kritisiere, nicht die generelle Ablehnung, versuchte Annika die Wogen zu glätten, doch Tammy legte nach.
Sie fände überhaupt nicht, dass sie den Typen unter einen Generalverdacht gestellt habe, insbesondere nicht, weil er das sehen könne, wie er wolle. Sie wollte nur damit klar machen, dass
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