Ein Ende des Wartens
Annikas Seele. Nicht nur, dass ihre Freundin versuchte, ihrer Beziehung zu Marco den Sargnagel einzuklopfen, nein, sie brachte auch noch die schwierige Beziehung zu Marcos Eltern ins Spiel – eine Beziehung, die von Anfang an für Annika nicht leicht gewesen war. Aber so einfach wollte es sich Annika auch nicht machen, denn sie war nicht der Mensch, der eine so wichtige Lebensentscheidung traf, ohne sich absolut sicher zu sein. Gerade in diesem Punkt näherte sie sich immer mehr ihrer Mutter an, die ihre Tochter in ihrer Jugendzeit stets für ihre Unüberlegtheit getadelt hatte. Dass Annika ausgerechnet in diesem Augenblick an ihre Mutter dachte und sie plötzlich sogar gut verstehen konnte, machte ihre Überlegungen auch nicht leichter.
Vielleicht sei es besser, wenn sie dieses Thema für das Wochenende aus ihren Köpfen verbannen würde, meinte Annika plötzlich, und da Tammy keine Widerworte gab, blieb es bei diesem endgültigen Entschluss.
Doch so einfach sich das Gespräch zwischen den beiden Freundinnen umlenken oder abwürgen ließ, so schwer war es für Annika, die Gedanken zu diesem Gespräch aus ihrem Kopf zu schieben. Natürlich wäre es eine Option, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Es wäre auch eine Option, die Wohnung zu kündigen, obwohl sie beide Mieter waren, und Marco die Wohnung wohl auch alleine bezahlen konnte. Aber wollte er das? Insbesondere, wenn Annika auszog und er wieder nach Hause zurückkehrte, in eine halbleere Wohnung? Zum Glück hatten sie im Vorhinein über die Bezahlung der Miete für das Jahr gesprochen, und Marco hatte versichert, dass er genügend Geld auf das Konto mit den Fixkosten getan hätte, sodass es keine Probleme mit der Bezahlung der Rechnungen geben sollte. Das hatte Annika tatsächlich fast mehr beschäftigt als die sinnhafte Fortführung ihrer Beziehung, die mit seiner Entscheidung auf dem Spiel stand.
Mit diesen Gedanken im Kopf wurde in diesem Moment sie geblitzt. Schlagartig waren alle Überlegungen aus dem Kopf, sie nahm ihren Fuß vom Gas und der Wagen verlor rapide an Geschwindigkeit.
Was war das gewesen? Tammy war vielleicht noch mehr erschrocken als Annika.
Sie glaube, dass sie geblitzt wurde, erklärte Annika und fragte sich, wie viel sie wohl zu schnell gewesen war.
Wie schnell sie denn gefahren sei, fragte Tammy nun auch.
Sie habe keine Ahnung, sagte Annika und suchte nach einem Geschwindigkeitsschild, das ihr einen Hinweis darauf geben konnte, wie schnell man hier fahren durfte.
Hoffentlich bekommst du kein Fahrverbot, meinte Tammy und war mit einem Mal plötzlich wieder hellwach.
Keine Ahnung, echt, versuchte sich Annika zu sortieren. Aber sie glaube, dass sie unmöglich so viel zu schnell gewesen sein konnte, dass sie den Führerschein abgeben müsse.
In diesem Moment entdeckten beide das Schild, auf dem die Geschwindigkeitsbegrenzung mit einhundert angegeben wurde. Beide blickten auch gleich zum Tacho, der anzeigte, dass Annika knappe neunzig fuhr.
Wenn sie davon ausgehe, dass sie gut dreißig Km/h verloren habe, dann wäre sie zwanzig Stundenkilometer zu schnell gefahren, rechnete Annika laut vor.
Wenn denn auch dort, wo geblitzt worden war, einhundert gegolten habe, hielt Tammy dagegen. Wenn es achtzig waren, würde es sicherlich eng mit ihrem Führerschein werden.
Achtzig wären ihr doch wohl aufgefallen!
So sehr sie in Gedanken gewesen sei, wäre ihr nicht mal aufgefallen, wenn sie auf der Gegenfahrbahn gelandet wären, widersprach Tammy.
Ach was soll’s! Sie könnten das jetzt sowieso nicht nachprüfen, beendete Annika die Diskussion. Vielleicht konnten sie auf der Rückfahrt, wenn sie hier auf der Gegenspur vorbeifuhren, herausfinden, wie viel denn die maximal erlaubte Geschwindigkeit gewesen war.
Tammy versprach, sich die kommenden Schilder anzuschauen, damit sie herausfand, wo sie sich gerade befanden. Auf der Rückfahrt konnte sie dann nach hinten schauen, wenn sie auf der Gegenspur an der Stelle mit dem Blitzer waren.
Annika hielt das für eine gute Idee und wollte sich auch nicht weiter mit dem Blitzen beschäftigen. Sie hatte viel mehr Mühe, die Gedanken bei der Fahrt zu behalten, denn mit jeder Minute entfernte sie sich noch weiter von dem Zeitpunkt, an dem sie an normalen Wochentagen schlafen ging.
10
Ob sich Tammy die Ortsnamen auf den nächsten Abfahrtsschildern gemerkt hatte oder nicht, wusste Annika nicht. Außer ein leises Schnarchen drang kein weiterer Ton vom Beifahrersitz zu ihr rüber. Doch
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