Ein endloser Albtraum (German Edition)
Pingpongbällen gesucht hatten. Als er die Bälle in Alufolie wickelte, hatte uns Homer ein Ergebnis versprochen, an das wir uns noch lange erinnern würden. Wir sahen ihm zu, fasziniert und ohne den geringsten Zweifel, denn jeder von uns konnte sich noch lebhaft an die Evakuierung der Heron Highschool erinnern, die noch keine sechs Monate zurücklag. Damals war die Rechnung aufgegangen. Und jetzt war es nicht anders. Es funktionierte. Auf einmal kamen aus Homers Richtung durchdringende und laute Piepser und unmittelbar darauf tönten mehrere Ansagen durch die klare Nachtluft. In englischer Sprache und laut genug, dass wir sie hören konnten. Sie schienen aus sämtlichen Bereichen des Krankenhauses zu kommen; ich glaube, sie waren auf Tonband aufgenommen und schalteten sich automatisch ein. Die erste Ansage lautete »Code zwei, Code zwei, Code zwei« und wurde alle fünfzehn oder zwanzig Sekunden wiederholt. Nach etwa einer Minute kam die zweite Ansage »Zone vier, Zone vier, Zone vier«. Und dann »Ebene drei, Ebene drei«. Unterdessen war das Krankenhaus zum Leben erwacht. Überall gingen Lichter an und wir konnten Rufe hören. Eine zweite Ansagenrunde setzte ein; wahrscheinlich lautete sie wie die erste, ich hörte aber schon nicht mehr hin, denn Lee und ich waren bereits auf dem Weg in Richtung des Gebäudes und warteten auf unsere Chance. Bei den Ambulanzen war kein Rauch zu sehen, dennoch liefen die Leute, die jetzt aus dem Gebäudetrakt mit den Krankenstationen kamen, alle in Homers Richtung. Zwei Soldaten rannten heraus, hinter ihnen kamen ein paar Leute in Zivilkleidung, dann eine Krankenschwester in Uniform und noch drei oder vier Leute in ihren Pyjamas. Es war zu dunkel, um ihre Gesichter zu sehen, daher konnte ich nicht erkennen, ob sich Freunde darunter befanden, aber für zwei Uhr früh war es eine ziemliche Party.
Wir wollten die Kranken nicht gefährden. Homers Bombe würde garantiert keinen Brand auslösen und wir hofften, dass man das Krankenhaus nicht evakuieren würde. Wir waren davon ausgegangen, dass das Krankenhaus mit einem Rauchdetektor ausgerüstet war und er nach wie vor in Betrieb sein würde. Ein allzu großes Risiko war das nicht, eher eine Gewissheit. Und das Krankenhauspersonal reagierte, wie wir gehofft hatten. Alle eilten zu der Stelle, die den Alarm ausgelöst hatte. Und überall blieben die Türen sperrangelweit offen.
Viel Zeit hatten wir nicht. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Fi und Chris auf die Eingangstür im Haupttrakt zueilten. Unser Ziel war das Altersheim im langen Abschnitt des T-förmigen Gebäudes. Aus ihm war nur ein einzelner Soldat gekommen, der die Tür so heftig hinter sich zugeschlagen hatte, dass sie wieder aufgesprungen war.
Ich rannte los, eine halbe Länge vor Lee. Wir mussten den Parkplatz überqueren, der mir plötzlich vorkam wie eine große leere schwarze Wüste; wenn wir unbemerkt bleiben wollten, mussten wir schnell sein. Ich duckte mich und rannte wie der Teufel und betete darum, dass die Schritte hinter mir zu Lee gehörten. Die Nachtluft fühlte sich kalt auf meinem Gesicht an, aber noch viel kälter waren die Schauer, die mir über Nacken und Rücken liefen und von meiner Angst ausgelöst wurden, dass auf uns geschossen werden könnte. Ich erreichte keuchend und nach Luft schnappend die Tür und war dankbar am Leben zu sein.
Wir hatten keine Zeit. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Kopf durch die Tür zu stecken und nach links und rechts zu schauen. In dem alten Holzflur war kein Mensch zu sehen, also trat ich ein und vertraute darauf, dass Lee mir folgen würde. Er war mir so unmittelbar auf den Fersen, dass ich seinen Atem im Nacken spürte.
Obwohl sich niemand im Flur aufhielt, sagten mir alle meine Sinne, dass das Gebäude voller Menschen war. Ich weiß nicht, woran das liegt: an den vielen kleinen Geräuschen vielleicht, am Knarren im Holz, den schlurfenden Lauten. Vielleicht ist es auch der Geruch nach menschlichen Körpern und ihrem Atem oder die Wärme, die den Ort einhüllt, eine warme Feuchtigkeit in der Luft, die keine Heizung und kein Kamin je erzeugen kann. Ich wusste also sofort, dass hinter jeder der geschlossenen Türen Menschen sein mussten. Ich wandte mich spontan nach rechts; aus keinem besonderen Grund, ich tat es einfach, bewegte mich dabei sehr rasch und versuchte mich für eine Tür zu entscheiden; dabei hätte ich am liebsten Röntgenaugen gehabt. Wir kamen an einer kleinen Küche vorbei, die offen stand.
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