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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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sollte die Festouvertüre 1812 spielen. Die Soldaten könnten die Kanonen beisteuern.«
    Ich erwiderte nichts, wunderte mich nur, warum er aus einer Sache, die ihm so ans Herz ging, einen Witz machen wollte. Es gab Momente, in denen mir die Witze zum Hals heraushingen.
    Aber jetzt lief ich durchs Zimmer, spielte mit der Jalousienschnur, drehte den Klavierhocker, löschte Homers Graffiti, stellte die Bücher gerade, öffnete die Tür der Standuhr, schloss sie wieder.
    »Spielen wir es noch einmal durch. Aus dem Stegreif«, sagte Lee, der mich nicht aus den Augen ließ.
    »Aus dem Stegreif?« Ich setzte mich auf den Klavierhocker ihm gegenüber. »Na gut. Versuchen wir's.«
    »Also. Ich glaube nicht, dass wir viel gesagt haben, bis der Typ wieder drinnen war und die Tür zuschmiss. Wir sagten irgendwas über Homer, ein paar Worte. Das war alles.«
    »Dann sprachen wir darüber, wie gründlich er die Tür verriegelt hat.«
    »Und dass sie Profis und Amateure haben müssen, wie wir bereits vermuteten. Und dass dieser Typ ein ...«
    »Warte«, sagte ich und griff mir mit beiden Händen an den Kopf. Plötzlich hatte ich es. Ich stand auf. »Ich weiß es wieder. Suchen wir die anderen.«
    Als Lee und ich Homer in dieser Nacht von unserem Versteck aus beobachteten, wurde mir neuerlich bewusst, welche Vorteile es hatte, der wildeste und ausgeflippteste Typ an der Schule zu sein. Homer kannte wirklich ein paar erstaunliche Tricks. Während wir Volkswirtschaft büffelten und uns mit Dingen wie Produktdifferenzierung und Preisdiskriminierung herumschlugen, hatte Homer mit seinen Kumpeln in der letzten Reihe die Kampfmethoden der Stadtguerilla erprobt. Es ist mir bis heute ein Rätsel, wo sie ihr Wissen hernahmen.
    Homer steuerte wieder auf die Ambulanzen zu, während ihm Robyn dieses Mal im Abstand von fünfzig Metern folgte und Rückendeckung gab, indem sie die Augen offen hielt. Er erreichte die Tür am Ende des Gebäudes, die er und Robyn in der Nacht davor ausprobiert hatten. Diesmal ließ er sie links liegen und begab sich sofort zu einer kleinen, einen Meter hohen Luke, die unter das Gebäude führte. Obwohl er durch dichtes Lavendelgebüsch kriechen musste, um sie zu erreichen, konnten wir ihn von unserem Winkel aus deutlich sehen. Er zerrte an der Lukentür, die aber erwartungsgemäß ebenfalls verschlossen war. Nun versuchte er sie mit einem Meißel aufzudrücken, aber auch das klappte nicht, obwohl die Tür ja wirklich nicht sehr robust sein konnte. Sie bestand aus nur vier senkrechten weißen Planken, die auf zwei Querbalken genagelt waren.
    Homer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, davon abgesehen war er gut vorbereitet. Seine Hand verschwand ein zweites Mal in seinem Werkzeugbeutel und holte einen Schraubenzieher hervor. Er begann die Scharniere aufzuschrauben. Das dauerte fünf oder sechs Minuten, doch dann fasste er endlich die Tür mit beiden Händen und hob sie vorsichtig aus den Angeln. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, zwängte er seine große und kräftige Gestalt durch die schmale Öffnung.
    Obwohl wir ihn nicht mehr sehen konnten, wusste ich genau, was er als Nächstes tun würde. Lee und ich spannten die Muskeln an, denn nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir in Aktion treten würden. Ich stellte mir Homer vor, der sich gerade wie ein großer Wurm durch die dunkle Unterwelt schlängelte. Nachdem ich die auslösende Idee geliefert hatte, hatte er keine Sekunde gezweifelt, dass sein Plan aufgehen würde. Im Grunde wiederholte er bloß einen seiner spektakulärsten Schulstreiche. Die Generalprobe hatte er schon hinter sich.
    Er musste eine Stelle finden, wo er ein Loch in den Boden bohren konnte. Das Gebäude, in dem er sich befand, war alt und baufällig und schien der richtige Ort für unseren Plan und er hatte eine Stichsäge und eine Bohrkurbel dabei. Wir hatten das Ganze genau durchdacht. Wir wollten keine Spuren unseres Besuches hinterlassen; das war der Grund, warum wir uns für ein Loch im Fußboden entschieden hatten und nicht für die einfachere Methode, ein Fenster einzuschlagen und Homers Bombe in das Gebäude zu schleudern. Wir beobachteten also das Gelände und warteten und zitterten, sahen uns immer wieder gegenseitig an und auf unsere Uhren und dann wieder nervös zum Ambulanzgebäude zurück.
    Als es schließlich passierte, ließ die Wirkung nichts zu wünschen übrig. Es war die Mühe wert gewesen, dass wir auf der Barrabool Avenue von Haus zu Haus geschlichen waren und nach

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