Ein endloser Albtraum (German Edition)
Nacht in den Busch rennen würde, um nachzusehen, was los ist. So oder so war es ziemlich blöd.«
Dem schien niemand etwas hinzufügen zu wollen. Wir alle waren müde und sauer. Homer sollte die erste Nachtwache übernehmen, während wir anderen im Obergeschoss des Hauses verschwanden und uns hinlegten. Soweit wir wussten, war es das sicherste Haus weit und breit, weil man durch die Fenster im oberen Stockwerk direkt in die Baumwipfel steigen und abhauen konnte. Außerdem bot es einen guten Ausblick auf die Straße. Niemand konnte in die Nähe des Hauses kommen, ohne von der Wache gesehen zu werden.
Nach so langer Zeit wieder einmal in einem richtigen Bett zu schlafen war unbeschreiblich. Ein schöner, sicherer, bequemer Luxus. Von sechs bis acht war ich mit der Wache an der Reihe, dann schlief ich noch einmal bis Mittag.
Drittes Kapitel
Den ganzen Nachmittag überlegten wir fieberhaft, wie wir es anstellen sollten, in das Krankenhaus zu gelangen. Ich saß die meiste Zeit in einen Webteppich gehüllt auf dem Boden. Irgendwann musste ich über Chris lachen, der gestikulierend vor der grauen Mattscheibe saß und so tat, als würde er ein Fußballmatch oder eine witzige Serie oder einen Actionfilm sehen. Seltsam, dass der Fernseher, der vorher eine so wichtige Rolle in unserem Leben gespielt hatte, ohne elektrischen Strom auf einmal der so ziemlich nutzloseste Gegenstand im ganzen Haus geworden war.
Doch vor allem fühlte ich mich an diesem Tag erstmals wieder besser. Das hatte damit zu tun, dass wir anfingen uns wieder zu vertragen. Es zeigte sich nur im Kleinen, aber diese kleinen Dinge waren meine Nahrung, meine Luft zum Atmen, mein Leben. Die anderen dachten, ich sei hart und unabhängig, dabei brauchte ich diese fünf Menschen mehr, als ich je zuvor in meinem Leben irgendjemanden oder irgendetwas gebraucht hatte.
Das änderte jedoch nichts daran, dass wir keine Idee hatten, wie wir in das Krankenhaus gelangen würden. Die Nacht brach herein und breitete sich aus, bis alles von ihr bedeckt war. Und uns war immer noch nichts eingefallen. Die Lösung, die wir schließlich fanden, ging zum Teil auch auf meine Rechnung. Ich hatte noch einmal über Homers verrücktes Ablenkungsmanöver nachgedacht. Mir schien, dass es Möglichkeiten enthielt. Er hatte es bloß nicht richtig angestellt. Etwas nagte in meinem Kopf wie ein Mäuschen, das dort in der Falle saß. Ich müsste nur den Schlüssel finden, dann könnte ich es freilassen.
»Lee«, sagte ich, als er von seiner Wache von Fi abgelöst worden war.
»Ja, meine süße und aufregende Raupe?«
»Raupe?«
»In der Decke siehst du aus wie eine Raupe.«
»Tausend Dank. Hör mal, erinnerst du dich noch an unser Gespräch hinter dem Schuppen, nachdem Homer das zweite Mal geheult hatte?«
»Und einen armen, unschuldigen Soldaten vor Angst fast um den Verstand gebracht hat? Ja.«
»Was genau haben wir gesagt? Etwas an der Unterhaltung wurmt mich, ich weiß nur nicht, was.«
»Raupen wurmt dauernd was. Deshalb sind sie Raupen.«
»Sehr witzig. Aber ich meine es ernst.«
»Was wir gesagt haben? Was weiß ich. Wir sprachen darüber, dass Homer geschrien haben musste.«
»Ja. Und dann?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Wir sahen dem Kerl zu, wie er zurück ins Haus lief und die Tür hinter sich zuschlug. Und verriegelte.«
»Ja. Es ging irgendwie darum ... wie er sie verriegelte.«
»Du sagtest etwas ...«
»Eben.«
Ich grübelte, aber vergeblich.
»Ist es so wichtig?«, fragte Lee auf einmal.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich spinne ich bloß. Ich glaube, da ist was dran, wenn ich mich bloß erinnern könnte, wenn ich es bloß zu fassen kriegte. Das ist wie bei einer kalbenden Kuh. Ich kann den Kopf des verflixten Dings sehen, aber ich weiß nicht, wie es aussehen wird.«
Ich stand auf und begann im Zimmer umherzugehen. Wir befanden uns im Wohnzimmer im Obergeschoss, wo Ms Lim allem Anschein nach ihre Stunden gegeben hatte, denn direkt vor dem Fenster stand ein wunderschöner Stutzflügel. Homer hatte mit seinem Finger in die Staubschicht auf dem Klavier Heavy Metal geschrieben. Aber ich hatte auch Lee beobachtet, wie er den Deckel hob und mit der Hand über die Tasten strich. Seine Finger hatten dabei gezittert und in seinem Gesicht spiegelte sich eine Leidenschaft und Intensität, die nicht einmal ich an ihm kannte. Ich hatte ihn von der Tür aus beobachtet. Als er mich bemerkte, hatte er den Deckel, beinahe schuldbewusst, rasch zugemacht und gesagt: »Ich
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