Ein endloser Albtraum (German Edition)
nutzten die Zeit, um die wilde Schönheit unseres Zuhauses im letzten Tageslicht zu bewundern. Ich sah nun, warum mir die Hölle jahrelang Angst gemacht hatte. Sogar jetzt, da sie uns längst vertraut war, ging eine potenziell gewalttätige Wildheit von ihr aus, die auch manche Tiere im Zoo beibehalten. Vielleicht lag es auch nur an mir und daran, dass ich auf einmal alles bedrohlich fand. Die Hölle war ein einziges Dickicht aus Bäumen und Felsen, dunkelgrün und rotbraun, grau und schwarz. Sie sah aus wie eine Schutthalde der Götter, ein riesiges Trümmerfeld, in dem alles Leben nach den eigenen wilden Regeln wuchs und wucherte, ohne auf Hilfe von außen angewiesen zu sein. Genau der richtige Ort für uns.
Wir hatten Corries Radio mitgebracht, das wir nur noch sporadisch hörten, weil unsere Batterien immer schwächer wurden. Wir wussten inzwischen, wann und auf welchem Sender die Nachrichten gesendet wurden, und stellten den amerikanischen Sender ein. Wir mussten mehrere Minuten warten, da wir nicht mehr die Schlagzeile waren, schon seit vierzehn Tagen nicht mehr. An diesem Abend waren wir auf Platz vier. Die Welt beeilte sich uns zu vergessen. Viel Neues gab es ohnehin nicht zu berichten. Die Wirtschaftssanktionen waren in Kraft getreten und zeigten angeblich erste Auswirkungen. Das Land wurde inzwischen bis auf wenige Orte im äußersten Outback und mehrere der größeren Städte von den feindlichen Truppen kontrolliert. Ein Jet der American Air Force war so freundlich gewesen unsere führenden Politiker in die Vereinigten Staaten zu bringen, wo sie hin und her gerissen waren zwischen feurigen Reden über die Notwendigkeit, nicht den Mut zu verlieren, und leidenschaftlichen Unschuldsbezeugungen, dass wir nicht durch ihre Politik so verwundbar geworden waren. Es war nicht leicht, Lee an diesem Punkt daran zu hindern, das Radio in Stücke zu hauen.
In manchen Gegenden kam es immer noch zu Guerillaaktivitäten, aber weite Teile des Landes waren inzwischen so fest in der Hand der Invasoren, dass bereits die ersten Kolonisten mit ihren Familien angesiedelt wurden. Neuseeland leistete als einziges Land direkte militärische Unterstützung, sandte Truppen und Versorgungsgüter. Inoffizielle und private Unterstützung kam auch von anderswo, vor allem von Neuguinea, während die Regierung von Papua-Neuguinea noch zögerte und nicht wusste, wovor sie sich mehr fürchten sollte: davor, einen Angriff zu provozieren, oder davor, dass ihr Land ohnehin als nächstes an der Reihe sein würde. Das Mächtegleichgewicht in Asien und im Pazifik hatte sich auf unbegreifliche Weise verschoben. Eine Politikerin aus Indien versuchte im Namen der UNO Friedensverhandlungen einzuleiten, allerdings waren ihre Vorschläge bislang durchweg auf taube Ohren gestoßen.
Als Nächstes war von dem gebrochenen Bein eines berühmten Basketballspielers in Chicago die Rede.
Danach waren wir niedergeschlagen. Wir gingen schweigend zum Landrover. Robyn und ich luden uns je ein Lamm auf die Schultern, während die anderen mitnahmen, was sie tragen konnten. Im Wagen blieb immer noch genug zurück, um mindestens noch einmal wiederzukommen. Dass uns die kleine Hobby-Farm der Kings eingefallen war, war ein Glücksfall gewesen. Ihm verdankten wir, dass wir über den Winter kommen würden. Wer weiß, vielleicht kam der Tag, an dem wir gezwungen wären auf den von unseren Feinden kolonisierten Farmen Nahrungsmittel zu stehlen, aber darüber wollten wir uns vorläufig genauso wenig den Kopf zerbrechen wie über unseren Benzinvorrat und das Schicksal unserer Familien und Freunde.
Sechstes Kapitel
Lee und ich saßen vor der Tür der Einsiedlerhütte. Hier, in diesem winzigen Schlupfwinkel, hatte ein Mann, der vor einer düsteren und schrecklichen Welt geflohen war, eine Art Frieden gefunden. Wahrscheinlich. Sicher wussten wir es nicht. Wir waren auch vor einer hässlichen Welt geflohen, aber im Gegensatz zu ihm konnten wir uns nicht endgültig von ihr lossagen. Manches von dieser Welt hatten wir hierhergebracht, außerdem mussten wir immer wieder zu ihr zurückkehren.
Trotzdem fand ich in dieser alten Hütte ein wenig Frieden. Es gab keinen Ort, der entlegener und abgeschiedener gewesen wäre, um der Menschheit zu entkommen. Manchmal kroch ich durch das Bachbett hierher wie ein kranker Hund, der sich in den dunklen Busch zurückzieht, um auf den Tod zu warten oder so lange zu bleiben, bis es ihm besser geht. Manchmal kam ich her, um mich zu vergewissern,
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