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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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leicht, die anderen zu überreden. Chris maulte bloß: »Kann das nicht bis morgen warten?« Ohne mir in die Augen zu schauen, kroch er in sein Zelt zurück. Homer schlief so fest, dass ich ihn nicht wecken wollte. Lee schien auch nicht gerade begeistert, aber sein Stolz verbot ihm mir eine Absage zu erteilen, also legte er sein Buch beiseite und ging wortlos mit. Robyn wusste ungefähr zwanzig Gründe, warum das noch einen Tag warten konnte, doch als wir im Begriff waren aufzubrechen, überlegte sie es sich anders und kam mit. Fi reagierte am besten von allen: Sie kroch mit den Worten aus ihrem Schlafsack: »Gymnastik! Genau das, was ich jetzt brauche: mehr Gymnastik!«
    Ich verzieh ihr den Sarkasmus, denn sie war fröhlich und das war genau das, was ich jetzt brauchte: Fröhlichkeit.
    Es war später Nachmittag, als wir aufbrachen. Die Bewegung tat mir gut; sie half mir ein wenig meinen geistigen Zustand zu regenerieren. Unterdessen kannten wir den Weg so gut, dass wir uns unterhalten konnten, ohne darauf achten zu müssen, wo wir unsere Füße hinsetzten. Der Weg führte bergauf, schlängelte sich durch Felsspalten und Gebüsch und über die wunderschön gezimmerte Brücke, die von dem einzigen anderen menschlichen Wesen gebaut worden war, das in der Wildnis dieses Felsentals gelebt hatte. Wenn der alte Einsiedler plötzlich wie ein Troll erschienen wäre, als wir auf der Brücke waren, hätte er wahrscheinlich vor Verblüffung seinen eigenen Bart verschluckt. Wer hätte auch vorhersagen können, was geschehen und zu welchem Zweck die Hölle gebraucht würde? Kein Mensch hätte das vorhersagen können – bestand dann aber umgekehrt nicht auch die Möglichkeit, dass uns das nächste Ereignis genauso überraschen würde und sich vielleicht als Ende des Krieges herausstellte? Das war ein angenehmer und vernünftiger Gedanke, der mich tröstete, während wir langsam die Steigung zum Wombegonoo hinaufgingen.
    Wir sprachen über nichts Besonderes. Irgendwann bemerkte ich, dass mich die anderen aufmuntern wollten und sich bemühten witzig und fröhlich zu sein. Fi schlug vor »Ich erinnere mich« zu spielen, das zu einem unserer Lieblingsspiele geworden war. Es war ein angenehmer Zeitvertreib mit einfachen Regeln: Man fängt einen Satz mit den Worten »Ich erinnere mich« an und die einzige Regel lautet, dass er wahr sein muss. Ich glaube, wir mochten es deshalb so sehr, weil es uns ermöglichte uns an unser normales Leben, wie es vor der Invasion gewesen war, zu erinnern. Ich war zwar überhaupt nicht in Stimmung, aber ich zwang mich mitzumachen.
    Fi fing an.
    »Ich erinnere mich, wie mich die Eltern von Sally Geddes in euer Restaurant einluden, Lee, und ich Lammkoteletts bestellte, weil ich die chinesischen Namen so sonderbar fand.«
    »Nicht chinesisch. Thailändisch und vietnamesisch«, murmelte Lee und sagte dann lauter: »Ich erinnere mich, wie meine Finger vom stundenlangen Üben wehtaten und mein Geigenlehrer meinte, ich solle noch eine Stunde üben.«
    »Ich erinnere mich, wie Mr Oates sagte, vor der Kirche sei ein Rohrbruch, und ich ganz aufgeregt ins Freie lief und erst dann kapierte, dass er gesagt hatte, denkt an euer Chorbuch.«
    »Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal eine Ampel sah.«
    »Oh, Ellie! Die Landpomeranze, wie sie leibt und lebt.«
    »Ich erinnere mich, wie ich Wackelpudding machte und mich genau an das Rezept hielt. Schritt drei sagte: ›Und jetzt rasch in den Kühlschrank‹, und ich dachte: ›Was soll ich im Kühlschrank?‹«
    »Fi! Das hast du erfunden.«
    »Es ist wahr. Ich schwöre es.«
    »Ich erinnere mich, wie ich glaubte, von allen Lehrern gemocht zu werden, und eines Tages in der zweiten Klasse eine Lehrerin sagen hörte, ich sei genau die Sorte Kind, wegen der sie aufs Land gezogen sei.«
    Das war wieder Lee.
    »Ich erinnere mich, wie Ellie im siebten Schuljahr immer einen Platz im Bus für mich besetzte und wie du dann plötzlich damit aufhörtest, Ellie, und ich dachte, das sei das Ende der Welt. Ich ging heim und heulte.«
    Ich erinnerte mich auch daran und fühlte mich schuldig. Robyn hatte begonnen mir auf die Nerven zu gehen und ich wollte neue Freunde.
    »Ich erinnere mich, wie ich klein war und an einer jungen Kuh im Stall vorbeikam und sie ihren Schwanz hob und einen Fladen auf meinen Kopf fallen ließ.«
    »Ich erinnere mich, wie ich meiner Lehrerin in der ersten Klasse erzählte, unsere Katze sei gelöffelt worden, und sie ewig brauchte, um dahinterzukommen, was

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