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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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hatte aber auch Fehler – meine Herrschsüchtigkeit, meine Taktlosigkeit, die Art, wie ich manchmal überkritisch war. Dann begriff ich, dass er mir gerade ein Riesenkompliment gemacht hatte, dass das, was er damit sagte, ein Bekenntnis war. Er hatte Recht, man empfindet anders für einen Menschen, wenn man ihn richtig kennt. Ich kannte dieses Gefühl, wenn alles in mir in Aufruhr und ich vollkommen überzeugt war die wahre Liebe gefunden zu haben, nur weil dieser Mensch so unbeschreiblich toll aussah, dass ich ihn für den Rest meines Lebens nicht mehr verlassen und immerzu anstarren wollte. Diese Art von Liebe bedeutete im Grunde nicht viel. Das war gemeint, wenn meine Schulfreundinnen sagten, sie »liebten« einen Filmstar oder einen Popsänger. Das war keine Liebe. Lee sprach über Gefühle, die so groß waren wie diese Berge. Einen Moment lang öffnete sich in mir eine ganz neue Welt, in der ich erwachsen war, hart arbeitete, eine Gruppe Menschen zusammenhielt, eine führende Rolle spielte. Mit Schrecken wurde mir bewusst, dass ich über Kinder nachdachte. Ich musste wohl spinnen! Das stand nun wirklich nicht auf der Tagesordnung. Ich richtete mich auf und schälte Lees Hand von meiner Brust.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Ich will nicht, dass das hier zu ernst wird.«
    »Und ob du das willst.«
    »Lee! Hör auf mir zu sagen, was ich fühle.«
    Er lachte bloß. »Na, hör mal. Du weißt es doch selber nicht. Also kann ich es dir ruhig sagen.«
    »Oh! Wenn das so ist.«
    »Du weißt also, was du fühlst?«
    »Ja! Selbstverständlich weiß ich es.«
    »Na gut. Dann mal los.«
    »Was meinst du?«
    »Wenn du dir so sicher bist deine Gefühle zu kennen, dann sag es mir. Ich brenne darauf, es zu erfahren.«
    »Gott, bist du lästig. Also gut, wie fühle ich mich? Ähm. Okay. Ähm, ähm, ja, jetzt weiß ich es. Ich bin verwirrt.«
    »Siehst du. Das sag ich doch die ganze Zeit! Du weißt es eben nicht.«
    »Aber ja! Ich fühle mich verwirrt. Hab ich doch gerade gesagt.«
    »Verwirrung ist aber kein Gefühl!«
    »Und ob es das ist!«
    Er rang mit mir, bis ich wieder in seinen Armen lag. »Ellie, du spielst schon wieder mit deinen alten Tricks. Zu viel Kopf, zu wenig Herz.« Er küsste mich heftig, lange, so lange, bis ich nachgab und den Kuss erwiderte. Dann wurden unsere Küsse langsam und sanft, aufregend, schön. Aber da waren immer noch ein paar Dinge, die mich irritierten. Als wir kurz innehielten, um nach Luft zu schnappen, und Lee an meine Schulter geschmiegt war, fing ich wieder an.
    »Lee, ich weiß, du willst mich mit deinen Küssen zum Schweigen bringen, aber ernsthaft, ich mache mir Sorgen um uns, um dich und mich. Wer weiß, was passieren wird, was mit jedem von uns am Ende sein wird. Und sag jetzt nicht was Blödes wie ›Wer kann sagen, was die Zukunft bringt‹. Sag mir was, was ich noch nicht weiß.«
    »Was sonst soll ich darauf sagen? Die Zukunft ist ... Ich weiß nicht, wie die Zukunft sein wird. Sie ist ein leeres Blatt und wir zeichnen Linien darauf, aber manchmal hält etwas unsere Hand, und die Linien, die wir zeichnen, sind nicht die, die wir wollten.«
    Lee hatte verträumt gesprochen und dabei in das Laub der Bäume über uns gestarrt, aber ich war zutiefst beeindruckt.
    »Irre. Hast du dir das gerade ausgedacht?«
    »Mehr oder weniger. Das heißt, ich habe schon früher darüber nachgedacht, aber diesmal ist es so rausgekommen. Ist ja auch egal. Es ist die Wahrheit und nur das zählt.«
    »Hmmm. Wahrscheinlich hast du Recht. Aber hier in der Hölle dürfen wir die Linien die meiste Zeit so zeichnen, wie wir wollen – jedenfalls viel freier als je zuvor. Es sind keine Erwachsenen da, die unsere Hände halten.«
    »Nein, aber da ist unser eigenes Denken und im Grunde tut es genau dasselbe. Die Art, wie wir vernünftig und bei Verstand geblieben sind, beweist das doch. Ich wette, eine Menge Leute sind überzeugt, wir feiern hier Orgien mit Sex, Drogen und Schokolade, dabei waren wir ziemlich straight. Bisher.«
    »Ach ja? Was soll das jetzt heißen?«
    »Du weißt schon.«
    »Beziehst du dich auf Sex, Drogen oder Schokolade?«
    »Ich weiß jedenfalls, was mir davon am wichtigsten ist. Und Schokolade ist es sicher nicht.«
    »Du meinst, wir sollten es tun, nicht wahr?«
    »Es«, zog er mich auf. »Was ist ›es‹?«
    »Du weißt schon.«
    »Also gut. Ja, ich denke, wir sollten es tun.«
    »Wusste ich es doch.« Was ich nicht wusste, war, ob er es ernst meinte oder ob er sich lustig

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