Ein endloser Albtraum (German Edition)
ich gemeint hatte.«
»Was hast du denn gemeint?«
»Na, dass sie sterilisiert wurde.« Fi lachte ihr kleines Glockenlachen, das wie ein Windspiel klang.
»Ich erinnere mich, wie ich beim Pool irrtümlich in den Umkleideraum der Mädchen ging.«
»Irrtümlich, hmm? Was du nicht sagst, Lee.«
»Ich erinnere mich, wie ich in Jason verliebt war und ihn ständig anrief und stundenlang mit ihm telefonierte und wie ich einmal schon eine Weile geredet hatte und dann aufhörte und nur ein langes Schweigen folgte, bis ich schließlich den Hörer auflegte. Als ich ihn am nächsten Tag in der Schule fragte, was denn los war, gestand er mir, dass er mittendrin eingeschlafen war.«
»Ich erinnere mich, dass ich am Tag vor meinem ersten Schultag so aufgeregt war, dass ich in meiner Schuluniform schlafen ging – den Pyjama trug ich darüber.« Seither hatte sich meine Einstellung zur Schule allerdings sehr verändert.
»Ich erinnere mich, wie meine Eltern vorhatten mich ins Internat zu schicken und ich mich vier Stunden lang unter der Veranda versteckte, bis sie es sich anders überlegten.«
»Ich erinnere mich, wie ich in der zweiten Klasse meine Geige gegen einen Marsriegel tauschte und meine Eltern, als sie dahinterkamen, einen Nervenzusammenbruch bekamen und die Eltern des anderen anriefen, um den Handel für ungültig zu erklären. Wer der andere war, weiß ich nicht mehr.«
»Ich weiß es noch«, sagte Fi. »Es war Steve.«
»Das könnte stimmen«, warf ich ein. Steve, mein Steve, mein Ex, war immer schon ein großer Überredungskünstler gewesen.
»Du bist dran, Robyn«, sagte Fi.
»Ich denke noch nach. Okay. Ich erinnere mich, wie mich mein Opa hochhob, um mir einen Kuss zu geben, und dabei vergaß, dass er eine Zigarette im Mund hatte, und mich an der Wange verbrannte.«
»Ich erinnere mich, wie wir noch klein waren und ich Homer beim Pinkeln zuschaute und beschloss, ich wollte es von nun an auch im Stehen tun, und meine Hose runterzog und es versuchte. Hat nicht wirklich funktioniert«, fügte ich unnötigerweise hinzu.
»Ich erinnere mich, wie ich meine Mutter zum letzten Mal sah«, erzählte Fi. »Mum meinte, auch wenn wir in den Busch gingen, müsste ich trotzdem nach jeder Mahlzeit meine Zähne putzen.«
»Ich erinnere mich, wie mein Vater sagte, wir seien der chaotischste Haufen, dem er je begegnet ist, und wenn wir bei ihm in die Landwirtschaftslehre gingen, würde er uns alle hochkant rausschmeißen«, sagte ich, obwohl ich gar nicht an der Reihe war. Da war sie wieder, diese Wehmut. »Und dann fuhr er auf dem Motorrad davon, ohne sich zu verabschieden.«
»Ich erinnere mich, wie besorgt mein Vater war, als wir loszogen«, sagte Lee, »und mir immer wieder einbläute, um Himmels willen vorsichtig zu sein und keine Risiken einzugehen.«
»Und du bist ja so ein gehorsamer Junge«, meinte Robyn. »Na ja, wenn wir schon bei diesem deprimierenden Thema sind, dann erzähle ich euch, wie ich meine Eltern zuletzt sah. Ich öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer, um mich zu verabschieden, und erwischte sie dabei, wie sie gerade leidenschaftlich bei der Sache waren. Zum Glück haben sie mich nicht gehört, also schloss ich die Tür wieder ganz leise, wartete ungefähr eine Minute, hämmerte an die Tür und brüllte, so laut ich konnte, Bye, und rannte wie von der Tarantel gestochen zum Wagen.«
Robyn hatte mit ihrer Geschichte das Unmögliche möglich gemacht: Sie hatte mich zum Lachen gebracht.
»Ich hatte mich schon gewundert, warum du so gegrinst hast, als du in den Wagen stiegst«, sagte Fi, nachdem wir aufgehört hatten zu lachen. »Ich dachte natürlich, es war deine Freude, mich zu sehen.«
»Das natürlich auch«, erwiderte Robyn, als wir die Spitze des Wombegonoo erreichten.
Auf dem Gipfel und nicht mehr im Schutz der Hölle war es kalt. Der Himmel war klar, aber es blies ein scharfer und kräftiger Wind. Über unseren Köpfen zogen kleine Wolkenfetzen dahin, so leicht wie Feenhaar und so nahe, dass man meinte sie berühren zu können. Es hatte lange nicht geregnet, aber die grausame Kälte, die der Wind vor sich hertrieb, ließ auf einen Sturm schließen. In weiter Ferne waren die ersten Anzeichen dicker weißer Wolken zu sehen. Sie hockten hinter den Bergkuppen, als säßen sie auf der Lauer. Ich hoffte bis Cobblers Bay zu sehen, weil ich die Schiffe zählen wollte, falls es welche gab, aber dafür war es schon zu dunkel.
Wir blieben fünf Minuten sitzen, um wieder zu Atem zu kommen, und
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