Ein endloser Albtraum (German Edition)
Zeiten«, sagte er. »Wie viele mutige Menschen in der Vergangenheit sind wir gezwungen unsere Küsten zu verteidigen, zu schützen, was von Rechts wegen uns gehört, und unsere Frauen und Kinder in Sicherheit zu bringen.«
Bei diesen Worten stieg mir schon wieder die Röte ins Gesicht; sie breitete sich vom Kinn aufwärts aus, was nur der Fall ist, wenn ich wirklich wütend werde. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mit den mutigen Menschen meinte er natürlich die Männer. Ich schluckte und stieß die Luft heftig durch die Nase aus. Das sollte wohl noch so eine Lektion in Disziplin sein. Major Harvey sagte noch ein paar Worte zum Thema Patriotismus, dann machte er einen kleinen Abstecher in die Geschichte.
»Männer wie Winston Churchill haben den Lauf der Geschichte verändert. Selbstverständlich würde es mir nicht einfallen, mich auf eine Ebene mit Winston Churchill zu stellen, aber ich will mein Bestes tun, euch zu führen. Ihr könnt euch darauf verlassen, dass ich euch nicht im Stich lassen werde.«
Der zweite Teil seiner Ansprache drehte sich um die militärischen Aktionen. Das war mehr nach meinem Geschmack. Das Schulmeisterliche hing mir langsam zum Hals heraus.
»Wir werden dem Feind in Kürze einen neuen Schlag versetzen«, kündigte er an. »Mit einigen von euch spreche ich später noch über die Einzelheiten. Captain Killen und ich haben mehrere wichtige strategische Angriffsziele identifiziert. Wie ihr wisst, sind wir nur wenige und kaum bewaffnet. Wir stehen einem Feind gegenüber, der über einen hohen Ausbildungsgrad und beste Ausrüstung verfügt. Vorsicht ist also unser oberstes Gebot. Doch auch wenn wir in vielfacher Hinsicht im Nachteil sind, haben wir den feindlichen Streitkräften einen Schaden zugefügt, der weit über die Größe unserer kühnen kleinen Bande der Harveys Heroes hinausgeht. Wir können tatsächlich stolz sein. Wie ihr wisst, sind bereits zwei Kraftwerke und mehrere Fahrzeuge unseren Anschlägen zum Opfer gefallen.«
Das meiste davon und noch einiges mehr, wofür noch einmal zwanzig Minuten Redezeit erforderlich waren, hatte er uns bereits bei unserer Ankunft erzählt. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. Mir kam es vor, als hätte ich das alles schon einmal erlebt: Es war eine Art Déjà-vu, das aber viel weiter zurücklag als unsere erste Begegnung mit dem Major. Ich dachte angestrengt nach, um herauszufinden, woher ich diese Situation kannte. Nach fünf Minuten wusste ich es: Ich hatte das Gefühl, wieder in der Schule zu sein und einer Versammlung mit dem Direktor beizuwohnen.
Major Harvey war nun beim dritten und letzten Teil seiner Ansprache angelangt.
»Ich möchte auch dieses Mal meine Anerkennung für Ms Hauff und ihre Helferinnen zum Ausdruck bringen. Das Lager ist in einem unverändert tadellosen Zustand, die Mahlzeiten werden pünktlich zubereitet und appetitlich serviert. Wenn ich Napoleon zitieren darf: ›Eine Armee marschiert auf ihrem Magen.‹ Die gegenwärtige hohe Moral der Harveys Heroes ist in nicht geringem Maße den Mädchen von Ms Hauff zu verdanken.«
Ms Hauff blieb ungerührt, aber bei genauerem Hinsehen schien die Anerkennung wie eine Welle durch ihren mächtigen Körper zu laufen. Mein wachsender innerer Widerstand wurde dadurch nur noch stärker. Von den Männern hatte ich keinen bei der Hausarbeit gesehen. Seit zwei Tagen hatte ich vor allem Töpfe und Pfannen geschrubbt, Laken gewaschen – in kaltem Wasser – und Socken gestopft. Die Männer verrichteten Männerarbeit – sie hoben Abflussgräben aus, besorgten das Feuerholz und errichteten eine kleine Holzhütte, die Major Harveys Hauptquartier werden sollte. Am meisten verblüffte mich aber, dass diese Rollenverteilung niemanden zu stören schien. Niemanden außer uns fünf, wobei ich mir bei Homer nicht einmal sicher war. Wenn wir ihm in der Hölle nicht ständig auf die Zehen getreten wären, hätte er jeden Abend seine Hausschuhe angehabt, wäre am Feuer gesessen und hätte darauf gewartet, dass man ihn bediente.
»Abschließend«, fuhr Major Harvey fort, »möchten wir unsere fünf neuen Rekruten willkommen heißen. Es ist eine Freude, ein paar junge Leute in unseren Reihen zu wissen, und ich bin überzeugt, sie werden sich bald an die Disziplin eines militärischen Unternehmens gewöhnt haben. Wie ich den Mitgliedern von Harveys Heroes, die von Anfang an dabei sind, bereits zu anderen Gelegenheiten gesagt habe: ›Wenn es heißt: Springt!, hat
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