Ein endloser Albtraum (German Edition)
hörte ich wieder Schritte, die durch die Bäume kamen und entschlossen und sicher klangen. Im Nu war ich bei dem Gewehr und riss es an mich; ich versuchte es zu entsichern, aber es war eine automatische Waffe, viel zu kompliziert, um in der kurzen Zeit dahinterzukommen, wie sie funktionierte. Verzweifelt legte ich an, als könnte ich mir auf diese Weise einen Schutz herbeizaubern. Es war Robyn. Sie kam auf uns zu, gelassen und ruhig wie immer – bis sie die Waffe sah.
»Ellie! Nicht schießen!«
Ich ließ das Gewehr sinken.
»Wo hast du das Ding her?«
»Dort drüben.« Ich wies mit dem Kopf in die Richtung des Soldaten, begann zu zittern und legte das Gewehr vorsichtig auf die Erde. Robyn schien völlig gefasst, während ich meinte jeden Augenblick hysterisch zu werden.
Robyns Lächeln war sofort verschwunden; sie stürzte zu dem Soldaten hin und kniete neben ihm nieder.
»Was ist passiert? Hast du auf ihn geschossen?«
»Geschlagen. Mit einem Stein. Und einem Ast.«
»Jesus, dem geht es nicht gut.«
»Er darf nicht überleben, Robyn.« Ich bemühte mich mit möglichst fester Stimme zu sprechen. »Wenn er am Leben bleibt, holt er die anderen und sie werden uns suchen. Und als Erstes werden sie diesen Baum hinaufklettern. Sie kommen uns womöglich bis nach Hause in die Hölle nach.«
Sie erwiderte nichts, entfernte sich von dem Soldaten und ging zu Fi hinüber.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie.
Fi starrte sie einen Moment lang genauso an wie zuvor mich. Dann nickte sie. Ich war erleichtert, dass sie wenigstens so weit wieder funktionierte.
»Hat irgendwer Lee gesehen?«
»Nein«, antwortete Fi.
Ich erzählte ihnen, wie Homer und ich zur Feuerschneise zurückgekehrt, aber nicht geblieben waren, um im Busch nach ihm zu suchen.
»Ich bin so froh, dass ich euch gefunden habe«, sagte Robyn. »Ich beschloss ganz spontan, hierherzukommen. Wenn ihr nicht hier gewesen wärt ... keine Ahnung, was ich dann getan hätte.« Sie schwieg einen Moment, als dächte sie nach. Dann übernahm sie das Kommando.
»Hört zu«, sagte sie. »Für Nervenzusammenbrüche haben wir jetzt keine Zeit. Das muss warten. Das gilt auch für mich, weil ich geschrien habe, um die Männer zu warnen. Aber nicht jetzt. Ich meine es ernst. Wir müssen uns zusammenreißen, wenn wir durchkommen wollen.«
»Was ist im Lager passiert?«, fragte ich.
Während Robyn sprach, drängten wir uns immer näher zusammen, bis wir wie ein Knäuel neben dem bewusstlosen Soldaten hockten, der auf der Erde lag und seine schweren Atemzüge tat.
»Es war eine einzige Katastrophe«, erzählte sie. »Fi und ich waren nicht rechtzeitig dort. Wir haben uns verirrt und es dauerte fast eine Stunde, bis wir das Lager endlich fanden. Wir waren schon ganz nahe. So nahe, dass wir die Zelte sehen konnten. Ich kann noch immer nicht glauben, wie das passiert ist. Auf einmal ging die Schießerei los, überall gleichzeitig. Es war so laut – als würde ein ganzer Trupp Bauarbeiter die Presslufthämmer gleichzeitig anlassen. Ein Soldat ist unmittelbar vor uns aufgestanden und hat zu schießen begonnen. Ein Schritt hätte genügt und wir hätten ihn anfassen können. Ein Wunder, dass er uns nicht gehört hat, was, Fi?« Fi nickte bloß wie auf Knopfdruck. Robyn versuchte sie aufzumuntern, zum Sprechen zu bewegen, aber ich denke, sie war viel zu erschöpft, in jeder Hinsicht.
»Und dann« – Robyn starrte auf ihre Schuhe – »was soll ich euch sagen? Es war grauenhaft. Manche der Kugeln und Granaten explodierten wie ein Feuerwerk; sie leuchteten und dann war alles hell. Sie warfen eine Leuchtkugel oder so was hinein. Die Leute ... sie rannten in alle Richtungen. Sie wussten nicht, wo sie hinsollten. Es war ein Massaker. Ich sah dann nur noch zu, dass ich schleunigst wegkam. Wenigstens war der Lärm so laut, dass sie mich nicht hören konnten. Nicht nur die Schüsse, auch die Schreie. Ich weiß nicht, wie viele Menschen ich heute sterben gesehen habe.« Sie blinzelte wütend. Einen Moment lang schien ihr Gesicht zu zerfallen. Ihre Lippen zuckten und sie drückte sich die Knöchel ihrer Hand auf den Mund, bis sie wieder sprechen konnte. Aber dann sagte sie nur: »Ich suchte nach Fi, aber sie war nirgends zu sehen.« Sie sah Fi auffordernd an, damit sie das Wort übernahm. Ich glaube, sie wollte die Aufmerksamkeit eine Weile von sich ablenken.
»Ich rannte weg«, flüsterte Fi. »Es tut mir leid, Robyn, ich verlor den Kopf und rannte. Nach einer Weile bemerkte ich,
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