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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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dass jemand hinter mir her war. Ich hoffte, dass du es warst, aber es klang nicht so. Ich rief etwas, aber es kam keine Antwort. Sie waren hinter mir her, also rannte ich weiter. Ich hoffte, ich würde sie abschütteln, aber das ging nicht. Irgendwann kroch ich unter einen Brombeerstrauch und versteckte mich. Ich wartete eine ganze Ewigkeit, stundenlang, bis ich dachte, jetzt müssen sie weg sein. Ich habe sie nicht weggehen gehört, aber ich dachte, kein Mensch würde in der Finsternis so lange stillhalten und einfach warten. Also kroch ich wieder hervor. Und im selben Moment kam jemand auf mich zugerannt. Ich schrie und rannte los. Ich rannte in einem fort durch den Busch. Und irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und dann stieß ich wieder auf die Klippen und beschloss hierherzukommen. Ich hoffte, irgendwer würde hier sein. Es tut mir leid, dass ich euch alle in Gefahr gebracht habe. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    Wir beruhigten sie, so gut wir konnten. »Natürlich hättest du das tun sollen«, »das war genau das Richtige«, »ich hätte genau dasselbe getan«, aber ich weiß nicht, ob es etwas nutzte.
    Obwohl ich selbst vollkommen durcheinander war, schauderte mir bei der Vorstellung, was Fi in dieser Nacht durchgemacht hatte; dieses Grauen, durch den stockfinsteren Busch zu rennen und von diesen Schritten verfolgt zu werden, die sie nicht abschütteln konnte, bis sie am Ende doch versuchte den Baum zu erreichen, obwohl sie gar nicht wissen konnte, ob sie uns oder nur die Stille der Nacht vorfinden würde; sie wusste nur, dass sie zu erschöpft war, um noch weiterzulaufen, und dass ihr, beim Baum angekommen, möglicherweise keine andere Wahl blieb als sich umzudrehen und auf den Tod zu warten. Die Nacht war für uns alle entsetzlich gewesen, aber für Fi wahrscheinlich am allerschlimmsten.
    Vorausgesetzt, dass Lee nichts zugestoßen war.
    Robyn begann wieder zu sprechen: »Es ist immer noch ziemlich dunkel. Was machen wir jetzt? Wir wissen nicht, wo Lee ist, und der da liegt bewusstlos vor unserer Leiter in die Hölle.«
    Endlich rührte sich auch Homer wieder. Es kostete uns alle große Überwindung. Wir versuchten normal zu denken, normal zu sprechen, aber die Worte wollten nicht wie sonst kommen, sie schienen zäh wie Zahnpasta, die ganz langsam aus der Tube gedrückt wird. »Wir können noch ein wenig warten«, sagte er. »Versetzt euch in ihre Lage. Um diese Zeit streifen sie nicht durch den Busch, um nach Überlebenden zu suchen, nicht einmal nach ihren eigenen Leuten. Zu gefährlich. Außerdem denken sie wahrscheinlich, dass sie alle erwischt haben. Der hier, der Fi gejagt hat, war ein Einzelgänger, glaube ich.«
    »Was passiert ...« Ich musste mich räuspern und noch einmal anfangen. »Was passiert, wenn er in einer oder zwei Stunden noch lebt?«
    Homer sah mich nicht an. Er sagte mit heiserer Stimme: »Dasselbe wie mit dem in der Buttercup Lane, auf den ich geschossen habe ...«
    »Das war nicht dasselbe«, erwiderte ich. »Das habe ich getan, weil er ohnehin gestorben wäre. Das war Sterbehilfe.«
    »Schau ihn dir doch an«, sagte Homer. »Er überlebt das nicht. Und wenn, dann bestenfalls als Krüppel.«
    »Woher willst du das wissen?« In Wirklichkeit wollte ich erklären, worin der Unterschied bestand. »Damals habe ich einfach nur gehandelt, ohne nachzudenken. Aber das hier. Das wäre kaltblütiger Mord.«
    Ich begreife noch immer nicht, dass wir gezwungen waren solche Gespräche zu führen. Wir hätten uns über die Disco, über E-Mail und die Examen und unsere Lieblingsbands unterhalten sollen. Wie war es nur möglich, dass wir hier mitten im Busch saßen, uns in der Dunkelheit aneinanderkauerten, durchfroren, hungrig und gelähmt vor Angst, und uns die Frage stellen mussten, ob wir einen Menschen umbringen sollten? Darauf hatte uns niemand vorbereitet, dafür gab es keine Vorgeschichte, kein Wissen, das uns irgendjemand vermittelt hätte. Wir wussten nicht, ob wir das Richtige taten, würden es nie wissen. Wir wussten in Wirklichkeit gar nichts. Wir waren ganz gewöhnliche Jugendliche, so gewöhnlich, dass wir langweilig waren. Sie hatten uns über Nacht unser Dach über den Köpfen weggesprengt. Und danach waren sie in unsere Häuser eingedrungen und hatten die Vorhänge heruntergerissen, die Möbel zertrümmert, die Häuser in Brand gesteckt und uns in die Nacht hinausgejagt, wo uns keine Wahl blieb, als zu rennen und uns zu verstecken und wie wilde Tiere zu leben. Wir hatten den

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