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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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irgendwie unwirklich. Wir wussten, dass es in der Stadt gefährlich war und wir auf Schwierigkeiten stoßen würden.
    Robyn beschrieb für alle, die noch nicht dort gewesen waren, den Grundriss ihres Hauses und wo in Wirrawee es lag. Wir hielten es für ungefährlich, durch die Coachmans Lane zu gehen, die hinter Robyns Grundstück verläuft. Von dem Hügel hinter Robyns Haus konnten wir einen Blick auf die Stadt werfen, was uns vielleicht einige Hinweise geben würde.
    Es war Zeit aufzubrechen. Corrie wartete an der Vordertür auf mich. Ich hatte das WC benützt und vergessen, dass die Mackenzies ihr Wasser nicht aus der Stadt bezogen und dass eine Druckpumpe mit Strom betrieben wird. Also hatte ich zu der Badewanne im Gemüsegarten gehen, einen Eimer mit Wasser füllen, wieder hineingehen und die Toilette spülen müssen. Corrie wurde schon ungeduldig, aber ich hielt sie noch kurz auf. Ich hatte den Verbindungsgang benützt, war an ihrem Telefon vorbeigekommen und hatte auf ihrem Fax eine Nachricht entdeckt. »Corrie«, rief ich, »willst du das hier sehen?« Ich hielt ihr die Nachricht hin und während sie zu mir kam, fügte ich hinzu: »Es ist wahrscheinlich alt, aber man kann nie wissen.«
    Sie nahm es und las. Während sie es überflog, öffnete sie langsam den Mund. Ihr Gesicht wurde vor Schreck länger und schmäler. Sie starrte mich mit großen Augen an, drückte mir dann die Nachricht in die Hand und wartete zitternd, bis ich sie gelesen hatte.
    Mr Mackenzie hatte Folgendes hingekritzelt:
    »Ich bin im Messe-Büro, Corrie. Irgendwas ist los. Die Leute sagen, dass es nur Heeres-Manöver sind, aber ich schicke das hier trotzdem ab. Dann werde ich nach Hause gehen und es zerreißen, damit niemand weiß, was für ein Idiot ich gewesen bin. Aber wenn Du dieses Schreiben bekommst, dann geh in den Busch. Sei sehr vorsichtig. Komm erst heraus, wenn Du weißt, dass es nicht mehr gefährlich ist. Mit sehr viel Liebe, Dad.«
    Die letzten Worte von Busch an waren dick unterstrichen.
    Wir sahen uns einen Augenblick lang an, dann umarmten wir einander. Wir weinten ein bisschen, dann liefen wir hinaus und zeigten die Nachricht den anderen.
    Ich glaube, dass mir an diesem Tag die Tränen ausgegangen sind, denn ich habe seither nicht mehr geweint.
    Als wir das Haus der Mackenzies verließen, bewegten wir uns vorsichtig. Wir verhielten uns zum ersten Mal wie Menschen im Krieg, wie Soldaten, wie Guerillas. »Ich habe immer darüber gelacht, dass Dad so vorsichtig ist«, sagte Corrie. »Er nimmt seine Wasserwaage überallhin mit. Sein Motto lautet: ›Zeit, die man zur Erkundung verwendet, ist selten vergeudete Zeit.‹ Vielleicht sollten wir uns eine Weile daran halten.«
    Wir hatten jetzt auch Corries Fahrrad, also erfanden wir eine Reisemethode, die ein Kompromiss zwischen Schnelligkeit und Sicherheit war. Wir einigten uns auf einen Orientierungspunkt – der erste war die alte Christuskirche – und das erste Paar, Robyn und Lee, sollte bis dorthin fahren und anhalten. Wenn die Luft rein war, würden sie zurückfahren und zweihundert Meter vor der Kirche ein Geschirrtuch auf die Straße legen. Das zweite Paar würde fünf Minuten nach Robyn und Lee starten und die letzten drei fünf Minuten später. Wir verabredeten vollkommene Stille und legten Flip, Kevins Corgi, bei den Mackenzies an die Kette. Unsere Angst zwang uns zum Denken.
    Die Fahrt zu Robyns Haus verlief ereignislos. Langsam, aber ereignislos. Das Haus war im gleichen Zustand wie alle anderen, leer, schlecht riechend, überall Spinnweben. Ich fragte mich, wie schnell Häuser verfallen würden, wenn die Menschen sich nicht um sie kümmerten. Sie hatten immer so solid gewirkt, so dauerhaft. Mum zitierte gern ein Gedicht: »Seht auf meine Werke, Ihr Mächtigen, und verzweifelt.« Mehr hatte ich mir nicht gemerkt, aber es war das erste Mal, dass ich die Wahrheit darin erkannte.
    Es war ein Uhr dreißig nachts. Wir gingen auf den Hügel hinter Robyns Haus und betrachteten Wirrawee. Ich war plötzlich sehr müde. Die Stadt war dunkel, nicht einmal die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Doch irgendwo musste es Strom geben, denn am Messegelände war sehr helles Licht – die Scheinwerfer, die die Rennbahn beleuchteten – und im Stadtzentrum waren ebenfalls einige Gebäude hell erleuchtet. Wir saßen da und sprachen leise über unseren nächsten Schritt. Es stand fest, dass wir versuchen mussten Fis und Lees Häuser zu erreichen. Nicht, weil wir erwarteten, dort

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