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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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dass sich alle in dem gleichen Zustand befanden. Ich hielt vor der Veranda der Mackenzies und blieb dort stehen, während ich versuchte die Energie aufzubringen, meinen Fuß zu heben und vom Fahrrad zu steigen. Ich stand lange dort. Ich wusste, dass ich diesen Fuß irgendwann würde heben müssen, aber ich wusste nicht, wann ich dazu im Stande sein würde. Schließlich sagte Homer freundlich: »Komm schon, Ellie«, und ich schämte mich meiner Schwäche und schaffte es, vom Fahrrad zu steigen und es sogar in einen Schuppen zu schieben.
    Im Haus sprang Flip um Kevin herum, als wäre sie ein verliebter junger Hund, Corrie kochte am Campingöfchen Kaffee, Fi saß am Küchentisch und hatte den Kopf auf die Hände gestützt und Homer holte Teller und Besteck. Ich konnte nicht glauben, dass es einen solchen Unterschied machte, wenn Lee und Robyn nicht dabei waren; es war, als wäre die Küche fast leer. »Was soll ich tun?«, fragte ich ziemlich idiotisch, nicht mehr im Stande, selber zu denken.
    »Setz dich nur hin und iss«, sagte Homer. Er hatte Getreideflocken, Zucker und weitere Haltbarmilch gefunden. Ich erstickte beinahe an den ersten Bissen, aber nach einer Weile gewöhnte ich mich wieder daran zu essen und das Essen blieb allmählich unten.
    Nach und nach begannen wir zu sprechen und dann konnten wir nicht mehr aufhören. Wir waren nicht nur todmüde, sondern auch so angespannt, dass das Gespräch zu einer Schlacht zwischen plappernden Stimmen wurde, bei der keiner dem anderen zuhörte, bis wir alle schrien. Schließlich stand Homer auf, packte eine leere Kaffeetasse und schleuderte sie gegen die Rückwand des Kamins, wo sie in große, weiße Scherben zersprang. »Griechische Sitte«, erklärte er unseren erstaunten Gesichtern und setzte sich wieder. »Jetzt machen wir es der Reihe nach«, sagte er. »Du bist die Erste, Ellie. Was habt ihr erlebt?«
    Ich holte tief Luft, die Mischung aus Müsli und Reisflocken, die ich gerade gegessen hatte, gab mir Energie und ich begann zu beschreiben, was wir auf dem Messegelände gesehen hatten. Kevin und Corrie mischten sich gelegentlich ein, wenn ich ein Detail vergaß, aber die Schwierigkeiten begannen für mich erst, als ich zu dem Geschehen in Mrs Alexanders Garten kam. Ich konnte niemanden ansehen, schaute nur auf den Tisch und auf das Stückchen Müslischachtel, das ich verbog, verdrehte und mit den Fingern zusammenrollte. Es fiel mir schwer zu glauben, dass ich, die gute alte Ellie, an der nichts Besonderes war, die in jeder Hinsicht neutral war, wahrscheinlich gerade drei Menschen getötet hatte. Das war so groß für mich, dass ich es nicht fassen konnte. Wenn ich nüchtern daran dachte: drei Menschen getötet, war ich von Entsetzen erfüllt. Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben für immer Schaden genommen hatte, dass ich nie wieder normal sein konnte, dass der Rest meines Lebens nur noch eine leere Hülle sein würde. Ellie würde vielleicht gehen, reden, essen und trinken, aber die innere Ellie, ihre Gefühle, waren dazu verurteilt, zu verdorren und zu sterben. Ich dachte an die drei Soldaten eigentlich nicht wie an Menschen: Ich konnte es nicht, weil ich keinen wirklichen Eindruck von ihnen hatte. Ich hatte nicht einmal ihre Gesichter deutlich gesehen. Ich kannte weder ihre Namen noch ihr Alter noch ihre Familien noch ihr Umfeld noch wusste ich, wie sie über das Leben dachten. Ich wusste noch immer nicht, aus welchem Land sie kamen. Weil ich nichts von all den Dingen wusste, die man wissen muss, bevor man einen Menschen wirklich kennt, existierten diese Soldaten für mich kaum als wirkliche Menschen.
    Deshalb versuchte ich es so zu schildern, als wäre ich ein Außenseiter, ein Zuschauer, jemand, der aus einem Buch vorliest. Ein Geschichtsbuch über andere Menschen, nicht über mich. Ich fühlte mich schuldig und schämte mich für das, was geschehen war.
    Eine andere Sache, vor der ich mich fürchtete, war beinahe das Gegenteil: Wenn ich die Geschichte mit dem Rasenmäher nur mit ein wenig Dramatik erzählte, würden die Übrigen, vor allem die Jungs, dadurch ganz Macho werden und so tun, als wäre es etwas sehr Heldenhaftes.
    Ich wollte nicht Rambo sein, sondern nur ich: Ellie.
    Doch sie reagierten anders, als ich erwartet hatte. Als ich in der Mitte der Geschichte angelangt war, legte Homer eine seiner großen, braunen Hände auf meine Hand, was es schwerer machte, die Müslischachtel in Stücke zu zerlegen, und Corrie rückte näher an mich heran und legte

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