Ein endloser Albtraum (German Edition)
an der Ecke, wo er an den Nachbargarten stößt. Die Schreie hinter uns zerrissen die Nacht. Ich hoffte, dass die Schreie leiser werden würden, je schneller und je weiter wir rannten, aber das taten sie nicht. Ich wusste nicht, ob ich sie nur in meinen Ohren oder auch in meinem Gehirn hörte.
»Wir haben gerade noch Zeit«, keuchte Corrie hinter mir.
Ich brauchte eine Minute, um zu begreifen, was sie meinte: Zeit, um die anderen zu treffen.
»Wir können direkt hingehen«, rief Kevin.
»Wie geht es deinem Bein, Corrie?«, fragte ich und vesuchte erfolglos in die normale Welt zurückzukehren.
»Okay«, antwortete sie.
Uns kamen Scheinwerfer entgegen und wir duckten uns in einen Garten, während ein Lastwagen mit hoher Geschwindigkeit vorüberfuhr. Es war ein offener Lastwagen aus einem Geschäft in Wirrawee, aber statt Gartengeräten waren Soldaten auf ihm. Allerdings nur zwei.
Wir liefen weiter, erreichten die Warrigle Street, liefen dann die steile Auffahrt zu den Mathers hinauf und trafen überhaupt keine Vorsichtsmaßnahmen. Wir kämpften jetzt um Atem. Meine Beine fühlten sich müde und langsam an. Sie schmerzten wirklich. Ich blieb stehen und wartete auf Corrie, dann gingen wir gemeinsam weiter und hielten uns dabei an den Händen. Wir konnten nichts mehr tun, nicht schneller gehen oder gegen noch jemanden kämpfen.
Homer und Fi waren da; sie waren von sieben Fahrrädern umgeben. Die mühsamen Zeiten waren vorbei, aber ironischerweise gab es jetzt, da wir genügend Fahrräder hatten, nur fünf, die mit ihnen fahren konnten. Denn es gab kein Zeichen von Lee und Robyn. Es war drei Uhr fünfunddreißig und vom Hügel aus sahen wir, wie Fahrzeuge das Messegelände verließen; sie fuhren alle zur Racecourse Road. Eines davon war die Wirrawee-Ambulanz. Wir konnten nicht mehr warten. Mit ein paar müde gemurmelten Worten – vor allem um zu erfahren, dass auch Fis Haus leer gewesen war – stiegen wir auf die Fahrräder und strampelten den Hügel hinunter. Ich weiß nicht, wie es den anderen ging, aber ich hatte den Eindruck, dass ich nicht vom Fleck kam. Ich stand auf und zwang meine Beine zu beschleunigen. Als uns wärmer wurde, wurden alle schneller. Ich weiß nicht, woher wir die Energie nahmen, aber das einfache Bedürfnis mit den anderen Schritt zu halten, nicht zurückgelassen zu werden, zwang mich dazu, mein Tempo zu steigern. Als wir endlich an dem Schild Willkommen in Wirrawee vorüberkamen, waren wir so schnell unterwegs wie Fledermäuse aus der Hölle.
Achtes Kapitel
Wir trafen wenige Minuten vor Sonnenaufgang bei Corries Haus ein. Der Himmel begann gerade heller zu werden. Es war eine entsetzliche Fahrt gewesen. Bei jedem Baum versprach ich mir, dass wir gleich bei der Abzweigung wären, aber ich bezweifle, dass wir auch nur den halben Weg hinter uns hatten, als ich mit diesen Versprechen begann. Jede Stelle meines Körpers schmerzte; die Beine, die Brust, der Rücken, die Arme, der Hals, der Mund. Ich brannte, mir war schlecht, ich litt. Mein Kopf sank tiefer und tiefer, bis ich dem schwarzen Rad desjenigen folgte, der vor mir fuhr, vermutlich Corrie. Im Geist sang ich den müden Refrain eines sinnlosen Liedes:
»Ich sehe dein Bild an und was findet mein Blick? Das Gesicht eines Engels lächelt zurück ...«
Ich muss das tausendmal gesungen haben. Es ging mir im Kopf herum wie die Räder des Fahrrads, bis ich vor Verzweiflung hätte schreien können, aber es ließ sich durch nichts vertreiben. Ich wollte nicht daran denken, was bei Mrs Alexander geschehen war, oder an das Schicksal der drei Soldaten, die uns verfolgt hatten, oder was Lee und Robyn vielleicht zugestoßen war, also hatte ich offenbar keine andere Wahl, als mir vorzusingen:
»Das Gesicht eines Engels stieg vom Himmel herab, du bist dieser Engel, den ich lieb bis ins Grab.«
Ich versuchte mich an mehr als den Refrain zu erinnern, schaffte es aber nicht.
Irgendwann fragte mich jemand: »Was hast du gesagt, Ellie?«, und mir wurde bewusst, dass ich wahrscheinlich laut gesungen hatte, aber ich war zu müde, um zu antworten – ich weiß nicht einmal, wer überhaupt gefragt hat. Vielleicht bildete ich es mir ohnehin nur ein. Ich erinnere mich nicht, dass sonst jemand gesprochen hätte. Womöglich hatten wir sogar den Entschluss, zu Corries Haus zu fahren, durch Osmose gefasst.
Wir hatten die Hälfte ihrer Auffahrt hinter uns, als ich bereit war zu glauben, dass wir angekommen waren, dass wir es geschafft hatten. Ich nehme an,
Weitere Kostenlose Bücher