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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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weit gekommen war und dann nicht weitergehen würde. Ich trat in das dunkle Innere, sah mich um und versuchte die Formen rings um mich zu erkennen. Genauso wie ich einige Minuten zuvor die Form der Hütte von ihrer wilden Umgebung hatte unterscheiden müssen. Es gab ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl. Allmählich wurden auch die kleineren, weniger auffallenden Gegenstände deutlicher. An einer Wand standen Regale, daneben ein roh gezimmerter Geschirrschrank, ein Herd, über dem noch immer ein Kessel hing. In der Ecke war eine dunkle Gestalt, die mir einige Minuten lang Herzklopfen verursachte. Sie sah wie ein schlafendes Tier aus. Ich machte einige Schritte und betrachtete sie. Es schien eine Kiste aus Metall zu sein. Ursprünglich war sie schwarz gestrichen gewesen, doch jetzt blätterte der Rost ab. Alles war wie diese Truhe – verfallen.
    Der Lehmboden, auf dem ich stand, war mit Zweigen, Lehmklumpen und dem Kot von Opossums und Vögeln bedeckt. Der Kessel war rostig, das unterste Regal hing schief und die Decke war mit Spinnweben geschmückt. Doch sogar die Spinnweben sahen alt und tot aus und hingen herab wie Miss Havishams Haare.
    Meine Augen hatten sich inzwischen an das trübe Licht gewöhnt. Zu meiner Erleichterung lag niemand auf dem Bett, aber es gab vermoderte Überreste von grauen Decken. Das Bett selbst bestand aus zusammengenageltem Schnittholz und sah noch ziemlich intakt aus. Auf den Regalen standen nur einige wenige alte Kochtöpfe. Ich drehte mich wieder um, um mir die Truhe anzusehen, und schlug mit dem Kopf gegen einen Fleischbehälter, der von einem Balken herabhing. Eine Ecke hatte mich an der Schläfe getroffen. »Verdammt«, sagte ich und rieb mir heftig den Kopf. Es hatte wirklich wehgetan.
    Ich kniete nieder, um in die Truhe zu schauen. Es schien in der Hütte nichts mehr zu geben, was ich nicht gesehen hatte. Nur das Innere der Truhe war noch verborgen. Ich versuchte den Deckel hochzuheben. Er widersetzte sich, war durch Schmutz und Rost blockiert und ich musste ziehen und rütteln, um ihn ein paar Zentimeter aufzubringen. Metall knirschte gegen Metall, während ich ihn langsam hinaufzwang und ihn dabei so verzog, dass man ihn nie wieder würde schließen können.
    Als ich hineinsah, war meine erste Reaktion Enttäuschung. Es war nur sehr wenig da, ein kläglicher Haufen zerrissener alter Sachen auf dem Boden der Truhe. Hauptsächlich Papierstückchen. Ich zog alles heraus und trug es ins Freie. Es gab einen Gürtel aus geflochtenem Leder, ein zerbrochenes Messer, eine Gabel und ein paar Schachfiguren: zwei Bauern und ein zerbrochener Springer. Der Papierhaufen bestand hauptsächlich aus alten Zeitungen, aber auch aus Briefpapier und der Hälfte eines Buches von Joseph Conrad mit dem Titel Herz der Finsternis . Als ich das Buch aufschlug, kroch ein großer schwarzer Käfer heraus. Das Buch klappte bei einer schönen farbigen Darstellung eines Bootes im Dschungel auf. Eigentlich waren es zwei Bücher in einem; es gab eine zweite Geschichte, die Jugend hieß. Doch die übrigen Papiere waren zu zerrissen, schmutzig und vergilbt, um von Interesse zu sein. Anscheinend würde das Leben des Einsiedlers sogar so viele Jahre nach seinem Verschwinden ein Geheimnis bleiben.
    Ich stocherte noch etwa zehn Minuten herum, fand aber nicht viel. Es hatte andere Versuche gegeben, Blumen zu züchten; außer den Rosen gab es einen Apfelbaum, einige Gänseblümchen und einen großen wilden Fleck Minze. Ich versuchte mir einen Mörder vorzustellen, der diese schönen Gewächse sorgfältig gepflanzt und gepflegt hatte; er hatte es versucht und war gescheitert. Ich glaube, dass sogar Mörder etwas haben müssen, das sie mögen, und sie müssen schließlich etwas mit ihrer Freizeit anfangen. Sie können nicht ihr Leben lang den ganzen Tag herumsitzen und an ihre Morde denken.
    Nach einiger Zeit hob ich den Gürtel und das Buch auf und watete in den Bach zurück, um gebückt durch den Tunnel in unser Lager zurückzukehren. Es war eine Erleichterung, aus diesem düsteren Dickicht in den Sonnenschein zu treten. Ich hatte vergessen, wie heiß der Tag war, aber ich freute mich beinahe über die glühende Hitze.
    Als ich auftauchte, kam Homer zu mir.
    »Wo warst du?«, fragte er. »Wir haben uns Sorgen gemacht.« Er war sehr zornig und klang wie mein Vater. Anscheinend war ich länger fortgeblieben, als ich gedacht hatte.
    »Ich habe eine Begegnung mit dem Einsiedler in der Hölle hinter mir«, antwortete ich. »Eine

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