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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Möglichkeit, dass sie vielleicht nicht zurückkommen würde. Ich glaube, dass die Menschen immer so sind. Sie glauben, dass sie nur etwas Böses sagen müssen, damit es wie durch Zauberei auch geschieht. Ich glaube nicht, dass Worte so viel Macht besitzen.
    Wir erreichten den Kamm, versteckten den Landrover und brachten die Hühner und alles, was wir sonst noch tragen konnten, in die Hölle. Wir mussten bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, bevor wir das restliche Zeug holen konnten. Es war zu gefährlich, oben am Tailors Stitch zu sein, wenn es hell wurde und so viele Flugzeuge unterwegs waren. Und es sah aus, als würde es ein glühend heißer Tag werden. Sogar unten in der Hölle, wo es normalerweise kühl war, wurde die Luft heiß wie in einem Hochofen. Zu unserer Überraschung lehnte Lee auf der anderen Seite der Lichtung an einem Baum, statt zwischen den Felsen zu liegen. »Heiliger Strohsack!«, sagte ich. »Du bist von den Toten auferstanden.«
    »Ich hätte mir einen kühleren Morgen aussuchen sollen«, sagte er grinsend. »Aber es macht mich krank, immer nur herumzusitzen. Nachdem ich mich endlich von der Lastwagenfahrt erholt habe, fand ich, es wäre Zeit für ein wenig Bewegung.« Er grinste und war offensichtlich sehr zufrieden mit sich, doch er schwitzte. Ich spülte ein Handtuch im Bach und wischte ihm das Gesicht ab.
    »Bist du sicher, dass du das tun sollst?«, fragte ich.
    Er zuckte die Achseln. »Es fühlt sich richtig an.«
    Ich erinnerte mich daran, wie oft sich unsere kranken oder verletzten Tiere irgendwo in einem Loch verkrochen hatten – die Hunde bevorzugten den Raum unter dem Scherschuppen – und tagelang unten blieben, bis sie entweder starben oder munter wedelnd und geheilt wieder hervorkamen. Vielleicht ging es Lee genauso. Seit er angeschossen worden war, hatte er zwischen den Felsen gelegen und seinen stillen Gedanken nachgehangen. Er wedelte zwar noch nicht, aber die Energie war in sein Gesicht zurückgekehrt.
    »An dem Tag, an dem du von einem Ende dieser Lichtung zum anderen laufen kannst«, sagte ich, »werden wir einem Huhn den Kopf abhacken und zum Abendessen Hühnchen servieren.«
    »Wenn Robyn aus Wirrawee zurückkommt, kann sie die Nähte entfernen«, sagte er. »Sie waren lang genug drinnen.« Ich half ihm zu einem schattigen Platz neben dem Bach, wo wir zusammen in einem feuchten, dunklen Felsbecken sitzen konnten – an diesem Tag wahrscheinlich der kühlste Platz in der Hölle.
    »Ellie«, sagte er und räusperte sich nervös. »Ich wollte dich schon immer etwas fragen. An dem Tag bei deinem Haus, im Heuschober, als du zu mir gekommen bist und dich neben mich gelegt hast und wir ...«
    »Schon gut, schon gut«, unterbrach ich ihn. »Ich weiß, was wir gemacht haben.«
    »Ich dachte, du hättest es vielleicht vergessen.«
    »Glaubst du vielleicht, ich mache so was so oft, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann? Es war nicht gerade ein alltägliches Ereignis für mich.«
    »Du hast mich seither jedenfalls kein einziges Mal angesehen. Du hast sogar kaum mit mir gesprochen.«
    »Ich war einige Tage lang ziemlich erledigt. Ich habe nur geschlafen und geschlafen.«
    »Ja, aber seither.«
    »Seither?« Ich seufzte. »Seither bin ich verwirrt. Ich weiß nicht, was ich denke.«
    »Wirst du jemals wissen, was du denkst?«
    »Wenn ich diese Frage beantworten könnte, würde ich wahrscheinlich alles wissen.«
    »Habe ich etwas gesagt, das dich durcheinandergebracht hat? Oder etwas getan?«
    »Nein, nein. Es liegt nur an mir. Ich weiß die halbe Zeit nicht, was ich tue, deshalb tue ich manches und meine nicht immer, was ich zu meinen glaube. Verstehst du, was ich meine?«, fragte ich hoffnungsvoll, weil ich selber nicht sicher war.
    »Du sagst also, dass es nichts bedeutet.«
    »Ich weiß es nicht. Damals hat es etwas bedeutet und es bedeutet auch heute etwas, aber ich weiß nicht, ob es das bedeutet, was du anscheinend möchtest, dass es bedeutet. Sagen wir einfach, dass ich eine Schlampe bin, und belassen es dabei.«
    Er sah wirklich verletzt aus und es tat mir leid, dass ich das gesagt hatte. Ich hatte es nicht einmal gemeint.
    »Es ist ein bisschen schwierig, hier unten zu sitzen«, sagte er. »Wenn du mich loswerden willst, musst du diejenige sein, die weggeht.«
    »Ach, Lee, ich will dich nicht loswerden. Ich will niemanden loswerden. Wir alle müssen weiß Gott wie lange weiter an diesem Ort leben.«
    »Ja«, sagte er. »An diesem Ort: der Hölle. Manchmal scheint er

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