Ein endloser Albtraum (German Edition)
entscheiden werden, mit euch mithalten kann. Ich glaube nicht, dass wir unseren Familien im Augenblick irgendwie helfen können, deshalb ist für mich am wichtigsten, dass ich euch gegenüber nicht mein Gesicht verliere. Und mich quält, dass ich nicht garantieren kann, unter Druck nicht davonzulaufen. Das Problem ist, dass ich im Augenblick solche Angst habe, dass alles passieren kann. Ich habe Angst, dass ich einfach stehen bleibe und schreie.«
»Gruppendruck unter Gleichrangigen«, sagte Lee, lächelte Fi jedoch mitfühlend an. Er hatte eine der Lieblingsphrasen unserer Klassenlehrerin Mrs Gilchrist verwendet.
»Natürlich bist du die Einzige, der es so geht«, sagte Homer. »Der Rest von uns kennt das Wort Angst nicht. Kevin kann es nicht einmal buchstabieren. Wir haben keine Gefühle. Wir sind Androiden, Terminatoren, Robocops. Wir haben einen Auftrag von Gott. Wir sind Superman, Batman und Wonder Woman.« Er fuhr ernster fort. »Nein, es ist ein großes Problem. Keiner von uns weiß, wie er reagieren wird, wenn es hart auf hart geht. Ich weiß, wie mir bis jetzt zu Mute war, wo ich nur kleine Sachen machte, wie zum Beispiel das Warten im Auto in der Three Pigs Lane. Meine Zähne klapperten so laut, dass ich den Mund zusammenpressen musste, um sie drinzubehalten. Ich weiß nicht, wieso ich nicht gekotzt habe. Ich war absolut davon überzeugt, dass ich sterben würde.«
Wir sprachen von dem Thema, über das Thema und um das Thema herum. Nach Fi waren die am wenigsten Begeisterten Chris und seltsamerweise Kevin. Bei Chris konnte ich es beinahe verstehen. Er lebte die meiste Zeit in seiner eigenen Welt, seine Eltern waren in Übersee, er hatte nicht viele Freunde. Ich glaube überhaupt, dass er Menschen nicht besonders mag. Wahrscheinlich hätte er recht glücklich in der Hütte des Einsiedlers gelebt, während Fi nach einem halben Tag verrückt geworden wäre. Aber ich hatte den Eindruck, dass Chris, genau wie Fi, bei allem mitmachen würde, was wir beschlossen. Der Grund bei ihm war, dass er weder die Energie noch die Entschlusskraft besaß, sich gegen die Gruppe zu stellen. Kevin war eher ein Rätsel, weil sich seine Haltung von einem Tag zum anderen änderte. Es gab Zeiten, in denen er blutrünstig, und Zeiten, in denen er feige wirkte. Ich fragte mich, ob es davon abhing, wie lange er nichts Gefährliches mehr unternommen hatte. Vielleicht wurde er ein bisschen stiller, wenn er vor kurzem in Aktion getreten war, suchte Deckung. Aber wenn es eine Zeit lang ruhig gewesen war, kehrte seine Aggressivität wieder.
Was mich betrifft, so herrschte in mir ein Durcheinander der verschiedensten Gefühle. Ich wäre gern fähig gewesen, ruhige, logische Entscheidungen zu treffen, das Für und Wider auf einem Stück Papier einander gegenüberzustellen, aber ich konnte meine Gefühle nicht genügend unterdrücken, um das zu tun. Wenn ich an die Kugeln und den fahrbaren Rasenmäher und die Fahrt mit dem Lastwagen dachte, schüttelte es mich und mir wurde schlecht und ich wollte schreien. Genau wie Fi und Homer und alle anderen. Ich wusste nicht, wie ich damit fertig werden würde, wenn all das wieder passierte. Vielleicht würde es leichter sein. Vielleicht schwerer.
Dennoch waren wir alle der Meinung, dass wir etwas unternehmen sollten, schon allein deshalb, weil die Vorstellung, nichts zu tun, so erschreckend war, dass wir nicht einmal daran denken konnten. Also kamen wir mit einigen Ideen daher. Allmählich sprachen wir immer öfter über die Straße, die von Cobblers Bay ausging. Anscheinend spielte sich dort am meisten ab. Wir beschlossen, in der nächsten Nacht, wenn Homer, Fi, Lee und ich uns auf den Weg machen würden, unsere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu konzentrieren.
Ich verließ die Besprechung, ließ alle, auch Lee, sitzen und ging ein gutes Stück den Weg hinauf. Schließlich saß ich am heißen Spätnachmittag auf einer der Satansstufen. Ich hörte den Bach, der oberhalb von mir über eine Felsstufe floss. Ich hatte etwa zehn Minuten dort gesessen, als eine Libelle nahe bei meinen Füßen landete. Ich musste inzwischen zu einem Teil der Landschaft geworden sein, denn sie schien mich zu ignorieren. Als ich sie ansah, bemerkte ich, dass sie etwas im Maul hatte. Was es auch war, es zappelte noch immer und seine kleinen Flügel flatterten. Ich beugte mich langsam vor und sah es mir näher an. Die Libelle ignorierte mich noch immer. Jetzt sah ich, dass sie einen Moskito gefangen hatte und ihn nun bei
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