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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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lebendigem Leib fraß. Bissen für Bissen wurde der noch immer wild kämpfende Moskito zerkaut. Ich sah fasziniert zu, bis er gänzlich verschwunden war. Die Libelle blieb noch eine Minute sitzen und flog dann davon.
    Ich lehnte mich wieder an den Felsen. So ging es in der Natur also zu. Der Moskito litt und geriet in Panik, aber die Libelle wusste nichts von Grausamkeit. Sie besaß nicht genügend Vorstellungskraft, um sich an die Stelle des Moskitos zu versetzen. Sie genoss einfach ihre Mahlzeit. Die Menschen würden es als böse bezeichnen, dass die große Libelle den Moskito vernichtete und sich nicht um die Leiden des kleinen Insekts kümmerte. Aber die Menschen hassen auch die Moskitos, bezeichnen sie als bösartig und blutrünstig. All diese Worte wie schlecht und bösartig bedeuten nichts für die Natur. Ja, das Böse ist eine menschliche Erfindung.

Neunzehntes Kapitel
    Es war finster, wahrscheinlich gegen Mitternacht. Wir lagen in einem Abzugskanal und blickten über seinen Rand auf den trockenen, schwarzen Highway. Wir hatten beinahe einen riesigen, tödlichen Fehler begangen. Robyn und die anderen hatten es so beschrieben, dass sie zur Straße hinaufgeschlichen waren, sie etwa eine Stunde lang beobachtet und sich dann wieder davongemacht hatten. Wir hatten es ihnen nachgemacht. Wir waren etwa fünfzig Meter vom Schotterrand entfernt. Ich ging voran, dann kam der hinkende Lee, dann Fi; Homer war das Schlusslicht. Ein ganz leises, unnatürliches Geräusch drang an mein Ohr. Ich wollte mich nicht darum kümmern und weitergehen, doch mein Instinkt hinderte mich daran und ich blieb stehen und schaute nach rechts. Und da waren sie, eine dunkle, solide Masse, die langsam die Straße herunterkam.
    Jetzt betrog mich mein Instinkt: Er befahl mir zu erstarren, hinderte mich am Weggehen. Ich musste wieder vernünftig werden, und zwar rasch. Ich musste diese entschlossene Stimme in meinem Gehirn aktivieren: »Wenn du nichts unternimmst, wirst du sterben. Beweg dich, aber beweg dich langsam. Beherrsch dich. Nur keine Panik.« Ich begann zurückzuweichen wie ein rückwärtsgespulter Film und prallte fast direkt gegen Lee. Zum Glück sagte er nichts. Ich spürte sein erstauntes Zögern, dann begann auch er zurückzuweichen. Inzwischen war die Patrouille so nahe, dass es gefährlich war, sich weiterzubewegen. Wir standen still und taten, als wären wir Bäume.
    Es waren ungefähr zehn Soldaten in Zweierreihen, dunkle Gestalten, die sich vom Himmel abhoben, oberhalb von uns, weil wir uns im Gestrüpp unterhalb des Straßenrandes befanden. Ich wusste nicht, wo Fi und Homer waren, hoffte aber, dass sie nicht plötzlich aus den Büschen stolpern würden. Dann setzte mein Herzschlag aus, als links von uns ein Geräusch erklang. Die Soldaten reagierten, als hätte jemand auf einen Knopf auf ihrem Rücken gedrückt. Sie schwärmten in einer großen Linie aus und warfen sich zu Boden. Dann robbten sie auf Lee und mich zu; der uns nächste Soldat war nur ein paar Meter links von uns. Das Ganze war erschreckend effizient. Anscheinend waren das die Berufssoldaten, von denen Mr Clement erzählt hatte.
    Einen Augenblick später begann eine riesige Taschenlampe, deren Licht einen Pfad durch die Nacht brannte, den Busch abzusuchen. Wir verfolgten ihr Zickzack, als hätte uns ihr Strahl bereits erfasst. Dann zögerte das Licht, hielt an, wurde scharf eingestellt und ich sah, was sich tatsächlich in seinem Strahl gefangen hatte. Ein sehr junges Kaninchen duckte sich auf den Boden, sein kleiner Kopf drehte sich nach links und rechts und es schnüffelte an dem weißen Schein um es herum. Von der Straße her ertönte Gelächter. Ich konnte die Entspannung spüren. Die Männer begannen aufzustehen. Ein Gewehrhahn wurde gespannt, es gab ein paar Kommentare und dann eine heftige, laute Explosion. Das Kaninchen wurde plötzlich zu kleinen Kaninchenstücken, die über den Boden und die Felsen verstreut waren; ein Stückchen Fell klebte an einem Baumstamm. Niemand kam über die Böschung herunter. Sie waren einfach gelangweilte Soldaten, die sich vergnügten. Das Licht wurde abgeschaltet, die Patrouille formierte sich wieder und setzte wie ein dunkles Krokodil ihren Weg fort.
    Erst als sie weder zu sehen noch zu hören waren und Fi und Homer nachgekommen waren, erlaubte ich mir zu zittern.
    Als wir in den Abzugskanal übersiedelten, bewegten wir uns eher wie Schnecken statt wie Krokodile oder Soldaten und krochen geräuschlos weiter. Ich weiß

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