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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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namenlosem Schrecken erschütterten Phantasie.« Bestimmt ist das der Brenta, bestimmt der Brenta!»Da flackerten vor seinem völlig verängstigten Geist Bilder von den gar grausamen Torturen auf, die besagte Sekte, der er, der kluge Mann, sich törichterweise angeschlossen hatte, über Verräter verhängt.«Nach Ferrara, nach Ferrara, vor das Ordenstribunal bringt man dich», schrie sein Gewissen in den gellendsten Tönen.
    Ein weiteres Mal wurde der Graf von der Qual des Denkens erlöst. Wie lang diese Bewusstlosigkeit anhielt, konnte er nicht ermitteln; ihm schien aber, ziemlich lang, denn beim Erwachen verspürte er trotz des Schreckens und trotz der Schmerzen am ganzen Leib quälenden Hunger. Und als eine nicht eben anmutige Hand ihm den Knebel aus dem Mund nahm und einige Bissen kalten Fleischs und ein paar Löffel Suppe hineinschob, schluckte er alles hinunter, ohne Angst vor Schierling oder sonstigen Giften zu empfinden. Er wollte auch ein Gespräch anknüpfen, wurde aber schon bei der ersten Silbe durch ein herrisches«Still!»entmutigt. Der Knebel wurde ihm wieder in den Mund gestopft, und die Flussfahrt ging weiter. Da bemerkte er am Ruderschlag, der das Stoßen mit der Stange abgelöst hatte, sowie an der geringeren Fahrtgeschwindigkeit, dass der Wasserlauf sich geändert und die Zahl der Flussschiffer zugenommen haben musste. Im Übrigen herrschte überall ringsum vollkommene Stille, und es gab keinerlei Anhaltspunkte, um herauszufinden, ob Tag oder Nacht war. Das Boot wurde immer langsamer, bis eine Brise seinen Lauf vollends zu hemmen schien. Doch da verdoppelten die Ruderer ihre Anstrengungen, und bald darauf drang an die angestrengt lauschenden Ohren des Grafen ein fernes Raunen, wie von Leuten, die unentwegt leise miteinander sprechen.«Was mag das sein...? O Jesus Maria, steht mir bei...! Ich bin wohl ein Sünder, indes...»
    Dieses Stoßgebet wurde von zwei Fäusten unterbrochen, die ihn grob am Kragen packten. Er wurde ein wenig hochgehoben, dann herabgelassen; an den Füßen spürte er eine Unheil verheißende Kühle, die höherstieg und durch die Kleider drang, bis auch sein Kopf untergetaucht wurde und ihn zugleich mit der Erkenntnis, dass, was ihm den Atem raubte, Wasser war, eine dritte Ohnmacht überkam; und er glaubte, durch Ertrinken oder Panik sei es nun wirklich zu Ende mit ihm. Als er erwachte, war er allerdings am Leben, soweit das nach so vielen Schrecknissen möglich war, und als er die Augen aufschlug, sah er rings um sich dunkle Mauern, ihre Finsternis aufgehellt nur von einem grünlichen Schimmer, der durch ein dicht vergittertes Fenster in einem Gang hereindrang. Sobald er sich von der ersten Überraschung erholt hatte, stand er von dem feuchten, schlüpfrigen Boden auf und begann, um Leute herbeizuholen, zu rufen; aufstehen und rufen konnte er mittlerweile, da keine Stricke oder Knebel ihn mehr behinderten, doch diese Stätte verlassen oder eine Menschenseele herbeiholen war etwas anderes, und so sehr er an den Stäben des Fensterchens rüttelte und so sehr er auch brüllte, er erreichte dadurch nur, dass ihm der düstere und heisere Klang seiner eigenen Stimme Angst einjagte. Der Unglückliche sank in sich zusammen, und das zehrende Hungergefühl des leeren Magens war nichts im Vergleich zu dem krampfhaften Schrecken, der seinen Geist zermalmte. Ich würde nicht sagen, dass er nachdachte, aber gewiss tat er etwas Ähnliches, als er in einem Winkel kauerte und sich die Fäuste wund biss, wie man es auf Abbildungen Ugolino 106 tun sieht.
    « In Ferrara, in den Verliesen des Ordenstribunals...!», das war der erste klare Gedanke, den er zu fassen vermochte; dann nahm er aber doch, ich weiß auch nicht wie, den starken Geruch wahr, der ihm von seinen noch völlig durchnässten Kleidern in die Nase stieg.«Salzwasser!», murmelte er, wobei ihm vor Angst und Kälte die Zähne klapperten.« Sollte ich in Venedig sein?»Hinsichtlich dieses Verdachts konnte er keine Gewissheit erlangen, und das war die Schuld seines Hauslehrers, der es versäumt hatte, ihm zu sagen, ob Ferrara ein Seehafen oder eine Binnenstadt sei. Da ihm aber alles in allem die Willkürjustiz der Signoria ebenso großes Entsetzen einflößte, hielt er es nicht für angebracht, sich über diese geographische Frage weiter den Kopf zu zerbrechen.
    Endlich brachten schwere, gemessene Schritte vom nahe gelegenen Korridor her eine willkommene Abwechslung in sein tristes Selbstgespräch. Doch kaum hatte er sich erhoben, um

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