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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Reeder und Kapitäne verheizt wurde, ein Teil schließlich, wirkliches Ausschussmaterial, zum Ausbessern alter Wracks oder zum Bau irgendwelcher neuer Gerätschaften verwendet wurde. Aber die Lustlosigkeit der Arbeiter und die Stümperei der Baumeister wetteiferten darin, die Lagune mit nie gesehenen Schiffsungetümen zu bevölkern, die nicht imstande waren, sich vorwärtszubewegen, geschweige denn zu manövrieren. Indem sie sie dergestalt der Unbequemlichkeit ihres Dienstes enthoben, erwarben sie sich große Sympathien bei den Seeleuten, allergrößte Sympathien bei den Schiffsoffizieren, die so unbehelligt ihren süßen Liebeshändeln mit den schönen Venezianerinnen frönen konnten. Nichtsdestotrotz blickte die Signoria, die sich auf die dreizehn Jahrhunderte ihres Bestehens und ihre sprichwörtliche Weisheit recht viel einbildete, auch weiterhin mit Genugtuung auf die Zahl ihrer Schiffe (von denen nicht wenige unentwegt auf der Werft zu Hause waren) und betrachtete wohlgefällig und mit mütterlichem Blick ihre sechstausend Kanonen, die allesamt sorgsam vor Sonne und Regen geschützt unter dem Dach des Arsenals standen. Das Meer schließlich, alljährlich einmal mittels des Durchlauchtigsten Dogen mit der Republik vermählt, hielt der geifernden Gemahlin eben jene Art von Treue, wie sie nach venezianischer Sitte zwischen Mann und Frau damals üblich war. 105
    Unterdessen hatten die beiden Holzfäller am Ufer des Piave eine dieser Barken losgemacht, wie sie für die Gegend charakteristisch sind: mit geringem Tiefgang, die Seitenränder zum Heck hin abflachend und ohne jeden Pechanstrich, die man ihrer Leichtigkeit wegen in diesem Abschnitt des Flusses zu verwenden pflegt, wo er noch mehr reißender Gebirgsbach als majestätischer Strom ist. Nachdem sie dem Maultier seine Last abgenommen und diese sorgsam im vorderen Teil des Bootes verstaut hatten, stieg Giannozzo mit den Reittieren wieder die Böschung hinan.«Leb wohl, Gevatter!», rief er.«Meine Zeche kannst du bezahlen; wenn du zum Pfarrhaus kommst, dann sag dem Erzpriester, er soll dieses Huhn bloß nicht mästen; es frisst schon seit fünfzig Jahren Reis und dürfte ein rechter Leckerbissen sein.»
    « Überlass das nur mir», antwortete Tramontino mit dumpfer Stimme. Dann erhob er sich zunächst auf die Zehenspitzen, packte die Stange an ihrem oberen Ende und stieß sie kräftig in den Grund; je weiter der Stoß ihn hinaustrug, desto tiefer duckte er sich nach und nach hinunter und warf sich mit den Schultern gegen die eine und die andere Bootswand, um das Fahrzeug auf Kurs zu halten, und so trug die reißende Strömung ihn rasch davon.
    O Wunder: In diesem von aller Frischluftzufuhr abgeschnittenen Loch war der Graf weder gestorben noch ohnmächtig geworden; wenngleich etwas entgeistert, stellte er doch ziemlich folgerichtige Überlegungen an. So begriff er zum Beispiel, dass dieser letzte anspielungsreiche Dialog seiner Wächter nichts Gutes verhieß, und hatte Verstand genug, deswegen an allen Gliedern zu zittern. Verflucht, der Vergleich mit dem Huhn war doch zu heikel...! Sei es nun durch Einbildungskraft oder durch die Wirkung des Knebels, jedenfalls glaubte er schon zu spüren, wie ihm jeden Augenblick der Hals umgedreht wurde. Solange diese unangenehme Empfindung anhielt, konnte er sich mit nichts anderem beschäftigen; aber nach etwa einer Stunde ließ das nach, und er konnte seiner Einbildungskraft etwas Abwechslung gönnen...!«Teufel, wer die zwei wohl sein mögen?», dachte er.«Besser gesagt, dieser eine hier, denn der andere ist ja zurückgeblieben, als sie mich ins Boot schafften ... Raue Hände hatten sie ...! Ich möchte wetten, das ist ein Akt der Vergeltung meiner teuren Mitverschworenen...! Bestimmt haben diese Laffen in Venedig den einen oder anderen entwischen lassen...! Man denke nur, den Cavalier Terni, zum Beispiel ... Uah!»
    Bei diesem Gedanken verspürte er erneut einen Druck an der Gurgel. Kaum bekam er wieder Luft, fuhr er fort:«Wohin sie mich wohl bringen...? Ob das wohl der Piave ist oder der Brenta? Wie soll ich das nach so langer Bewusstlosigkeit und dem Im-Kreis-Gehen dieser Mulis wissen...? Und doch dürften wir noch nicht so lange unterwegs sein, weil mein Magen nicht die geringste Empfindung von Hunger zeigt. Und dann dieser verdammte Fluss!», fing er wieder an.«Der nimmt ja gar kein Ende mehr...! Und wer weiß, wo wir landen...! Ah!», sagte er, nicht mit den Lippen, das war ihm verwehrt, sondern in seiner von

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