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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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hier!», sagte Tramontino, indem er den Grafen zu einer Nische führte.«Ich habe mir ja alle Mühe gegeben, Sie in süßer Ungewissheit zu lassen! Vorwärts, schauen Sie hier, und Sie werden wissen, wo wir sind.»
    Carmini schaute und sah die Rückseite des Dogenpalasts und die Seufzerbrücke. Da erkannte er, dass er sich in den Klauen des Löwen befand, die sich, vom Ruhm träge geworden, hin und wieder doch noch ins Fleisch irgendeines Unglücklichen gruben. Und ob diese Entdeckung ihn tröstete oder erschreckte, hätte er selbst nicht zu sagen gewusst. Sicher war es kein Freudenschauer, der ihn überlief, als Tramontino sagte:«Sehen Euer Gnaden dort unten das grünliche Wasser? Von dieser Stelle des Palasts geht es sechzig Ellen hinunter: Ich garantiere Ihnen, bevor man noch Wasserscheu empfinden kann, ist man bereits ein toter Mann. Der Sturz in den Kanal ist eine allerliebste Erfindung!»
    Sie gingen durch noch zwei, drei Gänge, sodass der Graf nicht mehr wusste, wo sie waren; dann blieben sie wieder vor einem Fensterchen stehen, von dem aus sich ein weiter Ausblick auf Himmel und Meer bot.«Kommen Sie näher!», rief Tramontino und versetzte ihm einen Stoß,«und schauen Sie hinunter!»
    Schwer fiel Carmini gegen die Brüstung, und den Blick blöde nach unten wendend, sah er unter sich die Riva degli Schiavoni und auf dieser ein Gewimmel von Menschen, Verkaufsständen, Händlern, Magiern und Gauklern; und dazwischen Togen und Perücken, weil an diesem Morgen wohl Sitzung des Großen Rats war.
    « Sehen Sie mehr nach rechts!», sagte der Gebirgler, mit der Hand auf die Piazzetta weisend.« Schauen Sie, dort zwischen diesen beiden Säulen wurden schon höhere Häupter abgeschlagen als das Ihre!»
    Und mit diesen Worten zwang er ihn kehrtzumachen und schleifte ihn eine nahe gelegene Treppe hinunter.«Überall hier ringsum gibt es entzückende kleine Zellen, aus denen man, wenn man einmal drin ist, nicht wieder herauskommt. Einige davon stehen auch leer, müssen Sie wissen, Herr Graf...! Fünf sind es, wenn ich mich nicht täusche, eine frischer als die andere, Sie brauchen nur zu wählen.»
    Wäre der Gang nicht so extrem schmal gewesen, der Unglückselige wäre vornüber auf die Nase gefallen.
    « Um Himmels willen», rief Tramontino, den Strick fester anziehend,«machen Sie bloß keinen Unsinn, jetzt, wo Sie im Begriff sind, sich einer so erlesenen Gesellschaft vorzustellen. Hören Sie, hören Sie nur, wie lustig sie sind!»
    Tatsächlich hörte man wirren Stimmenlärm, Schreien und Fluchen.«Da wären wir!», sagte Tramontino, indem er eine niedrige, eisenbeschlagene Tür aufschloss.
    Mit meisterhafter Geschicklichkeit von seinen Fesseln befreit und mit einem groben Stoß in den Raum befördert, fand sich der Graf völlig verdutzt in der merkwürdigsten Versammlung wieder, die sich denken lässt.
    Dem Aussehen nach waren das alles Leute, die irgendeinem Geschäft nachgingen, aber ihre Aufmachung war so komisch und die Gesichter so verzerrt, dass es eher einem grotesken Komödienaufzug glich als einer wahrhaftigen Gefängnisszene. Hier standen verschiedene Stutzer mit gepuderter Perücke und völlig verschmutzten, zerlumpten und betressten Röcken in Grüppchen beieinander; weiter hinten, vor Schreck versteinert, zwei Doktoren in großen schwarzen Mänteln; noch weiter hinten vier oder fünf Kerle in Hemdsärmeln und zwei oder drei Waffenknechte, ohne Waffen, versteht sich, ja, mit Angstschweiß auf der Stirn. Und solcherlei Gestalten gab es von jeder Art, eine verschreckter und lächerlicher als die andere; und alle redeten gleichzeitig, es war ein Jammern und Wehklagen, ein Gewinsel und Fluchen, die einen beteuerten ihre Unschuld, die anderen schlugen sich an die Brust, riefen Gott und alle Heiligen an; ein jeder gab dabei der Madonna oder dem Heiligen seines Heimatorts den Vorzug, sodass das auf den ersten Blick eine Versammlung von Verrückten schien. Als der Graf sich in ihrer Mitte sah, verdoppelte und verdreifachte das seine Angst. Er wich zurück bis an die Tür und versuchte, sie mit dem Ellbogen aufzustoßen, doch da ihm mächtige Eisenstangen den Ausgang verwehrten, wandte er ihr das Gesicht zu, um wenigstens nicht erkannt zu werden.
    Geraume Zeit schenkte ihm niemand Beachtung, doch endlich bemerkten die Umstehenden diese fest an die Tür gepresste Gestalt, und in der Hoffnung, wie durch ein Wunder einen Fluchtweg gefunden zu haben, fielen sie über ihn her, um ihm diesen streitig zu machen. Der

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