Ein Engel an Güte (German Edition)
ja, im Guten, hm...? Angst hatten sie... so liegt die Sache. Meint ihr, wenn wir nicht die Zähne gezeigt hätten, wäre uns diese Gnade in den Schoß gefallen...?!»
Und so waren die einfachen Landleute überzeugt, sie bräuchten nur ihre Axt zu erheben, um den Brotpreis zu drücken und von der Signoria alle erdenklichen Vergünstigungen zu erlangen. Ja, es gab sogar welche, die in den Jubel über diesen ersten Sieg Klagen über den hohen Salzpreis mischten und schließlich andeuteten, man könne ja einen Versuch unternehmen, diesen auf ein gerechtes Maß zurückzubringen.
Während er an diesen Menschengruppen vorüberging, die den Hut vor ihm zogen, ihm nachschauten, nach seinem Namen fragten und diesen voreinander wiederholten, vernahm Celio nur ein einziges Mal den Namen Carmini, und zwar von einer kleinen Familie, die sich hinter einer Hecke zum Frühstück niedergelassen hatte und ihn nicht bemerkte.«Was wird Graf Carmini von uns denken?», fragte einer mit offenbar jugendlicher Stimme.
« Nichts, gar nichts, sei ganz unbesorgt!», antwortete ein anderer, welcher der Vater oder Großvater des ersten Sprechers sein mochte.
« Wie, nichts ...? Ja, wisst Ihr denn nicht, dass er eben heute ...»
« Ja, freilich, aber weißt du denn nicht, dass der Graf ein viel größerer Freund von San Marco ist, als wir seit gestern Abend...? Viva San Marco!», rief der Alte.
« Viva, viva!», antwortete die ganze Familie im Chor.
Celio beschleunigte den Schritt, den Kopf von Gedanken schwer, das Herz zerrissener denn je zwischen zwei furchtbaren Leidenschaften: Liebe, der er weder Einhalt gebieten noch Erfüllung verheißen konnte, und Wut, die vom Gedanken an den Verrat des Carmini sowie die eigenen zerronnenen Träume immer noch weiter geschürt wurde. Nach und nach aber begann ein anderer Verdacht an seinem Gewissen zu nagen, subtiler und giftiger als jeder Schmerz.«Ich allein», dachte er,« ich allein bin davongekommen...! Alle anderen sitzen im Käfig, wie Tramontino sagt; und ich... Teufel, und wenn die da drin denken sollten... Aber nein, das ist ganz ausgeschlossen...! Ausgeschlossen? Im Gegenteil, sie hätten nicht einmal unrecht», setzte die Vernunft, diese unerbittliche Scharfrichterin, hinzu.«Du, werter Cavaliere, vergnügtest dich in Venedig, als der Befehl, deine Komplizen zu verhaften, schon ergangen war. Ja, obendrein warst du im Haus des Inquisitors, begreifst du?, während deine Mitverschworenen vielleicht einzeln, zu zweien oder zu dritt in die Gondeln des Geheimtribunals steigen mussten...! Vielleicht gingst du im selben Augenblick als freier Mann aus Venedig fort, als sie von den Sbirren dort hingeschleift wurden ...!»
Wenig fehlte, und er hätte dem Impuls eines Augenblicks nachgegeben und sich mit einer Unze Blei aus der Welt geschafft; aber diesen seinen Freitod hätte man auf späte Reue und unerträgliche Beschämung zurückführen können, und dann...? Und dann ...? In der Tiefe seines Geistes erblickte er einen Lichtschimmer, das war die Hoffnung... und unter diesem einen Namen: Morosina.
« Ich weiß, was ich zu tun habe!», sagte er beim Betreten seines Palazzos in Asolo.
Eine halbe Stunde später brach er zu Pferd von dort auf und machte sich auf den Weg nach Venedig, als er von vier Sbirren angehalten wurde, die ihn im Namen der Serenissima verhafteten und ins Gefängnis des Podestà brachten.
IX
Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein
Keine zwanzig Minuten waren seit Celios Aufbruch vergangen, da zogen Tramontino und Giannozzo, nachdem sie die Maultiere hervorgeholt und ihnen die sorgfältig gefesselte, geknebelte und zugedeckte Last wieder aufgebürdet hatten, zum Piave hinunter. Ihr Weg führte sie durch den Wald von Mantello, damals dicht bestanden mit riesigen, jahrhundertealten Eichen und daher noch würdig, als Vater der Galeeren des großen Morosini gepriesen zu werden. 104
In den letzten hundert Jahren sind Wälder und Menschen zusehends kleiner geworden, und heute ist auf Kanzeln und in Zeitungen viel davon die Rede, die einen wie die anderen zu alter Größe zurückzuführen; doch zum Ruhm dieses viel geschmähten Adamsgeschlechts muss gesagt werden, dass die Menschen davon bisher mehr profitiert haben als die Pflanzen. Damals allerdings war der Mantello noch ein Wald von majestätischen Ausmaßen und lieferte dem Arsenal von Venedig alljährlich reichen Tribut an Schiffsbauholz, wovon ein Teil auf den Docks verfaulte, ein Teil in den Küchen der Aufseher,
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