Ein Engel an Güte (German Edition)
Edeldame, sodann Graf Fabio, der vor Angst und Ärger ganz gelb im Gesicht war, und schließlich der junge Marcoligo, der plärrte und heulte und im Wasser planschte wie ein Kind.
Für diesen Abend hatten unsere drei Unglückseligen ihre Erfrischung genossen; die Prokuratorin und der Stutzer wurden mit einer anderen Gondel zu ihren Häusern gebracht, um dort die Erkältung, die sie sich geholt hatten, zu kurieren. Der Graf hingegen, obwohl übel zugerichtet und triefnass, blieb stehen und wetterte gegen das Haus, von dem der Stein herabgefallen war. Aber so sehr er sich auch die Seele aus dem Leib schrie und an die Tür pochte, keine Menschenseele ließ sich blicken, und zuletzt wies ihn ein gutmütiger Nachbar daraufhin, dass dieses Haus seit Jahren unbewohnt sei.«Sind denn keine Maurer auf dem Gerüst?», fragte der Graf wütend.
« Bis vor einer Stunde habe ich sie arbeiten hören», antwortete der Nachbar,«aber um diese Zeit sind sie wohl gegangen.»
« Schurken! Ich werde sie alle hängen lassen!», kreischte der kleine Nero.
« Aber glauben Sie mir doch, das war ein Unfall. Und danken Sie Gott, dass Ihnen nichts Schlimmeres passiert ist», mischte sich der Obsthändler von nebenan ins Gespräch.
« Aha, ein Unfall, du lumpiger Hund!», schrie der Graf zu diesem gewandt.«Aha, ‹nichts Schlimmeres › nennst du das, wenn zwei Edelmänner und eine Edeldame von unserem Rang ein solches Bad nehmen müssen! Besser wäre es gewesen, dieser verdammte Stein hätte dir den Schädel eingeschlagen! Ha, ich werd’ dir’s zeigen, von wegen ‹Unfall › und ‹nichts Schlimmeres› ...!»
Doch für diesmal war es ratsam, die Galle hinunterzuschlucken, nicht zu spucken und still und leise nach Hause zu gehen; ja, auf dem Weg dorthin brachte die kühle Frische seiner Kleider ihn vollends zur Vernunft. Er legte sich umgehend ins Bett, um die Lebensgeister wieder anzufachen, die sich ganz um das Herz zusammengezogen hatten, und obwohl er von grausamer Rache, bis auf die Fundamente eingerissenen Häusern und ganzen Wäldern von Galgen träumte, dauerte dieser Schlaf doch auf die natürlichste Weise bis acht Uhr. Kaum erwacht, rief und klingelte er und verlangte nach der Gondel, warf sich in die Kleider, lief an den Kanal hinunter, schalt die Gondolieri wegen ihrer Saumseligkeit, warf sich unter das Verdeck und befahl:«Zum Dogenpalast! Dort werden wir sehen», sagte er bei sich.«Dieser Hausbesitzer soll mir das Loch in der Gondel mit seinem Kopf stopfen!»
Beglückt erging er sich in solch friedfertigen Gedanken, als er nach einer Biegung besagte Brücke und dieses vermaledeite Haus wieder erreichte; er trat an den Bug und hob herausfordernd den Blick. Doch just in diesem Augenblick hatte sich von einem Balkon im dritten Stock ein riesiger Blumentopf gelöst, der ihm, obwohl er eilends zurückwich, direkt auf den Kopf fiel und ihn am Boden der Gondel niederstreckte. Aus einer klaffenden Wunde oder besser, einem zertrümmerten Schädel troff Blut; Blut aus dem Mund, Blut aus Nase und Ohren, Leichenblässe im übrigen Gesicht, so sah der arme Graf aus, und so schaffte man ihn nach Haus, wo die ganze Familie sich um ihn scharte. Der Arzt, der wenig später herbeieilte, fand indes nur noch einen Leichnam vor. Es folgte ein furioses Spektakel mit Weinkrämpfen und Ohnmachten; aber glücklicherweise sind solche aristokratischen Possen nur Einakter; und vier Stunden später empfing Gräfin Teodora in neuer Trauertoilette die Kondolenzbesuche der feinen venezianischen Gesellschaft, die Komtess tröstete sich bei den Zärtlichkeiten ihres Cicisbeo, und der brave Nicoletto spielte mit seinem treuen Momolino Karten.
Noch am selben Nachmittag erzählte der Cappanera Formiani vom grausamen Schicksal des Carmini.«Armer Graf...!», rief der Inquisitor.« Aber weißt du, das hatte ich mir schon gedacht, dass dieser Tramontino ihm irgendeinen bösen Streich spielen würde...! Er hat bekommen, was er verdiente, und jetzt muss man an die Überlebenden denken, nicht wahr, Bernardo?»
« Ja, Exzellenz!», antwortete dieser.
« Nun denn, so schreib, was ich dir nun sagen werde», begann Formiani wieder; und als der Cappanera sich an den Schreibtisch gesetzt hatte, begann er ihm mit heiserer und abgerissener Stimme zu diktieren:
« Hochverehrte Kollegen vom Rat der Zehn! Da es dem Diener des hochverehrten Geheimtribunals, Andrea Tramontino, unterlaufen ist, dass ihm aus Unachtsamkeit ein Blumentopf auf den Kopf unseres allseits
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