Ein Engel an Güte (German Edition)
geliebten Kollegen Graf Fabio Carmini gefallen ist, schlage ich vor, um einer Wiederholung derartiger Fahrlässigkeiten vorzubeugen, dass dem genannten Tramontino eine jährliche Pension von fünfzig Dukaten ausgesetzt und er in seinen Heimatort zurückgeschickt werde. Es bleibt dies dem Gutdünken und Belieben der hochverehrten Herren anheimgestellt.»
Von unsicherer Hand setzte Formiani seine Unterschrift unter dieses Schreiben, und als der Brief versiegelt war, schickte er den Cappanera damit zum Dogenpalast. Eine Stunde später trat der Rat der Zehn zusammen, und trotz der Einwände Marcoligos, der die Enthauptung des Tramontino forderte, wurde dieser aus dem Dienst entlassen und es wurde ihm eine Pension ausgesetzt, wie Formiani es wünschte. Auch vom Sterbelager aus übte er noch immer so viel Macht über seine Kollegen aus, dass sein Ratschlag blindlings befolgt wurde und ein jeder meinte, es liege irgendein hehres politisches Ziel darin verborgen. Diesmal war seine Absicht jedoch einzig und allein die, das schwere Unrecht wiedergutzumachen, das sich die venezianische Justiz dem Tramontino gegenüber hatte zuschulden kommen lassen, und diesen, wenn möglich, auf den Weg wahrer Bußfertigkeit zu führen. Vielleicht wollte er sich auch ein letztes Mal, bevor er diese Welt verließ, über die Albernheit seiner Kollegen lustig machen, indem er sie dazu brachte, den Mörder eines Mannes, den sie am Tag zuvor per Akklamation zum Patrizier gemacht hatten, als Wohltäter des Vaterlands zu preisen.
Was immer der Greis im Sinn gehabt haben mochte, fest steht, dass Tramontino, der in seinen Dienst als Gefängniswärter zurückgekehrt war und sich erwartete, jeden Augenblick festgenommen und wieder in das stinkende Loch geworfen zu werden, wo er schon andere Male monatelang geschmachtet hatte, überraschend Besuch von Seiner Exzellenz Pitocca bekam. Dieser hatte, das sei zur Erklärung des Geschehens gesagt, aus überschwänglicher Freundschaft heraus dem Tramontino Zugang zu jenem Haus verschafft, von dem der Tod des Carmini ausgegangen war; und obwohl er auf das durch Eid besiegelte Schweigen des Gebirglers vertraute, regte sich doch eine gewisse Furcht in ihm; an dem Abend freilich, von dem ich hier berichte, erschien er ganz vergnügt und aufgeräumt bei ihm.
« Was ist?», fragte Tramontino ihn ernst.
« Das ist: Formiani hat die Sache von der guten Seite genommen», flüsterte der andere ihm ins Ohr,«und du bist durch einen soeben gefassten Beschluss des Rats frei und in den Ruhestand versetzt... Aber komm herunter, und du erfährst mehr, der Cappanera Seiner Exzellenz wartet hier auf dich.»
Langsamen Schrittes ging Tramontino hinunter; von Bernardo eingeladen, stieg er in die Gondel, und so gelangten sie zum Palazzo Formiani, wo der Inquisitor ihn zu sprechen wünschte. Alsbald wurde er in das Krankenzimmer geführt, wo neben dem Bett Morosina saß und ihm bedeutete, still zu sein. Er trat ein wenig zur Seite, bis Seine Exzellenz aus dem Schlummer erwachte; er schlug die Augen auf und ergriff, als er dem Blick seiner Gemahlin begegnete, eine ihrer Hände und drückte sie, so fest er konnte. Morosina sah ihn lächelnd an, und als sie sich umwandte, um dem Holzfäller zu bedeuten, er solle näher kommen, wischte sie verstohlen eine Träne ab.
« Ah, da bist du ja schon, du Gauner!», sagte der Kranke hustend.«Erzähl mir doch ein wenig, wie es bei dem Abenteuer zugegangen ist...!»
« Aber... Exzellenz ...!», murmelte Tramontino und deutete mit den Augen auf Morosina.
« Ich verstehe», antwortete der Patient und gab sich Mühe, der geschwächten Stimme Nachdruck zu verleihen,«aber du wirst zugeben, dass es ziemlich üble Taten sein müssen, wenn man sich schämen muss, sie vor einem Mädchen zu bekennen! Wer hat dir denn die Befugnis erteilt, dir selbst dein Recht zu verschaffen...?»
Tramontino senkte den Kopf und sagte kein Wort. Hatte den Unglückseligen tags zuvor noch die Erinnerung an den ungesühnten Tod seiner Frau gepeinigt, plagten ihn heute dreimal so schlimme Gewissensbisse wegen des begangenen Verbrechens.
« Nun komm, ich verzeihe dir!», fuhr Formiani fort, indem er den Kopf ein wenig vom Kissen hob.«Ich verzeihe dir, und hienieden ist damit alles beglichen; Gott möge dir aber die rechte Buße auferlegen, und du sei darauf bedacht, sie guten Mutes zu ertragen!»
« O Exzellenz!», rief Tramontino düster und fast weinend.«Wenn Sie wüssten, wie es in meinem Inneren
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