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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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während der ganzen langen und schweren Krankheit nicht; fast hatte es den Anschein, als weite sich der Horizont seines bis dahin aller Hoffnung baren Lebens in dem Maße, in dem er dessen zeitliches Ende näher rücken sah; oder als hätten sich ihm, der bis dahin nur so dahingelebt hatte, nun endlich Grund und Ziel seiner irdischen Pilgerfahrt erschlossen. Morosina, die dieses Wunder gewirkt hatte, ehrte darin demutsvoll das Werk Gottes.
    Die Verhandlungen zwischen Carmini, der Canean und Marcoligo hatten unterdessen zur Doppelhochzeit geführt, die Ende Oktober in der Dogenkapelle 123 von San Marco gefeiert wurde.
    Costanzina hatte sich schon im Voraus ihren cavalier servente 124 ausgesucht, einen sehr schönen jungen Mann von der geziertesten und geputztesten Art, der bei der Hochzeit als Trauzeuge auftrat. Nicoletto, dieser einfältige Tropf, hatte sich von Momolino einreden lassen, er sei in die Canean verliebt, und merkte erst am Fuß des Altars, dass der Freund nicht recht hatte; aber obwohl er der Braut tausend Grimassen schnitt, sprach er aus Folgsamkeit dann doch das verhängnisvolle« Ja»; Momoletto büßte seinen Einfluss auf den jungen Herrn übrigens nicht ein, ja, er setzte ihm so zu und schmeichelte ihm so sehr, dass er ihn im Verlauf von acht Tagen so weit hatte, dass er Papa und Mama für die vorzügliche Wahl dankte. Erstaunliche Macht der Überredung! Riet die Erfahrung dieser ersten Woche dem armen, unbedarften Kerl doch das genaue Gegenteil. Wie vertraglich vereinbart, bemühten sich die neuen Verwandten um die Aufnahme der Familie Carmini ins Goldene Buch, und das entsprechende Dekret wurde dem Gewissen der Senatoren schließlich gegen Zahlung von dreitausend Zechinen abgepresst. Man denke sich nur, wie eingebildet Graf Fabio nun daherstolzierte!
    Nach etwas mehr als einem Monat waren die Wunden, von denen er beim Verlassen des Gefängnisses übersät gewesen war, wohl verheilt, und weitgehend gelegt hatte sich auch sein Groll auf die Signoria, die ihm einen so üblen Streich gespielt hatte; doch erst bei dem Festbankett, das zur Feier eines so großen Familienereignisses ausgerichtet wurde, war er wieder ganz der Alte, und erst da, unter den Vivat-Rufen der Sippschaft, dem Beifall der Schmarotzer, den Huldigungen der Poeten, bei funkelndem Kerzenschein und beim Überschäumen der Gläser trat ihm erneut und verführerischer denn je die erträumte Dogenkappe vor Augen.
    Nach ausgiebigem Zechgelage erhob sich die feine respektive unfeine Gesellschaft von der Tafel und begab sich zu den Gondeln; und den Gesetzen der Liebe folgend, verteilte sie sich dort auf verschiedene kleine Grüppchen, wobei natürlich zwischen Ehegatten der größtmögliche Abstand eingehalten werden musste.
    Graf Fabio befand sich in einer Gondel mit seiner Schwägerin, der Prokuratorin, und seinem neuen Schwiegersohn Marcoligo, und wie die Gespräche zwischen diesen drei Berauschten aussehen mochten, der eine toll vor Hochmut, die andere vor Liebesgier und der dritte vor Nichtigkeit, das vermag ich mir wohl vorzustellen, aber nicht zu schildern.
    Vom Palazzo Carmini, der von der Piazzetta ein gutes Stück weit entfernt lag, führte der Weg zum Canal Grande durch sehr enge Kanäle und unter unzähligen Brücken hindurch. Als sie an die niedrigste und abgelegenste dieser Brücken gelangten, war die Durchfahrt von einem enormen, mit Kohle beladenen Frachtkahn versperrt, und man musste warten, bis der Weg wieder frei wurde. Während nun die Gondolieri auf die Kahnführer einschimpften, löste sich von einem Gerüst, das dort für Reparaturarbeiten im sechsten Stock aufgerichtet war, plötzlich, keiner weiß wie, ein riesiger Stein. Der Graf war eben aufgestanden, um den Drohungen der Gondolieri durch seine Autorität Nachdruck zu verleihen, weshalb der Stein nur die hintere Krempe seines Hutes streifte, mit großem Getöse in die Gondel krachte und den Boden durchschlug; das war indes ein großes Glück für den Grafen, denn wäre er sitzen geblieben, hätte der Stein ihn getroffen. Die Erschütterung, der Lärm und der Schrecken waren dabei so groß, dass die drei Exzellenzen beinah glaubten, sie wären tot. Unterdessen hatte der hintere Ruderer, der durch den Aufprall in den Kanal geschleudert worden war, schwimmend das Ufer erreicht; von dort aus packte er mit Hilfe seiner Kameraden die Gondel, die fast bis oben hin mit Wasser vollgelaufen war, an einer Seite, und es wurden herausgehoben zuerst die ohnmächtig gewordene

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