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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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und dorthin, wie auf der Suche nach jemandem, ohne dass sie sich diese Unruhe mit Vernunftgründen hätte erklären können. Ohne es zu ahnen, hatte sie vom Zaubertrank der Circe 52 gekostet.
    « Sieh doch, sieh doch nur, die reinste Venus, dieses Mädchen!», tuschelte man sich in den benachbarten Gondeln, auf Morosina deutend, ins Ohr.
    « Mädchen...? Eine Frau ist sie, sage ich dir ...! Siehst du nicht die entblößten Arme...? Und die Perlen und Bänder!»
    « Wem gehört denn diese Gondel?», fragten andere.
    « Donnerwetter...! Ja ...! O nein...! Aber ja doch, ich sage es Euch doch...! Es ist Seine Exzellenz Formiani, der dahinten in den Kissen lehnt.»
    « Ach, kann es etwas Vollkommeneres geben?»
    « Wer ist das? Wer ist denn das?», fragten die Damen.
    « Wer ist die junge Dame dort an der Seite des Ratsherrn Formiani?», wiederholten alle.
    « Eine Enkelin.»
    « Aber wenn er doch keine Enkel hat!»
    « Dann wird es eine Geliebte von ihm sein!»
    « Aber hört doch auf! Wenn er doch neulich erst todkrank war!»
    « Ein Grund mehr, das Leben zu genießen.»
    Die größte Mühe herauszufinden, wer Formianis neue Freundin sei, gab sich freilich Seine Exzellenz Vettore, der feine Herr Neffe, den wir vom Hörensagen bereits kennen. Er hatte schon bei diesem undjenem herumgefragt und zermarterte sich das Hirn, um hinter die Sache zu kommen; und als er in der Gondel der Prokuratorin nichts ausrichten konnte, wechselte er in die seiner Frau. Auch hier neue Fragen, erneute Verwunderung, neue und noch verstiegenere Mutmaßungen, aber keine Lösung des Rätsels. Nur darin, die Anmut dieses Geschöpfes in den Himmel zu heben, stimmten alle überein. Und tatsächlich sah Morosina, so schwankend zwischen Überraschung und Verwirrung, zwischen Ängstlichkeit und Unschuld, derart bezaubernd aus, dass sie der halben Republik den Kopf verdrehte.
    « Dies ist dein erster Triumph, mein Töchterchen», sagte der Inquisitor zu ihr,«und heute Abend wirst du dich rühmen können, den Großen Rat mehr beschäftigt zu haben als der Erbfolgekrieg 53 .»
    « Was hat Euer Exzellenz gesagt?», fragte das Mädchen, indem es einen seiner schweifenden und flammenden Blicke auf ihn heftete.
    Auch der alte Mann war gebannt von deren Zauber, aber anscheinend mehr aus aufrichtiger Bewunderung denn aus einer postumen Regung des Verlangens. Tatsächlich sagte er nach einem Augenblick des Schweigens mit leiser, sanft bewegter Stimme:«Weißt du, mein Kind, dass sich in dir von Stunde zu Stunde neue Schönheiten entfalten, gleich Blüten an amerikanischen Pflanzen? »
    Morosina blickte um sich, fast als zweifle sie daran, dass diese Worte ihr gälten; denn sie war so bestürzt und verwirrt, dass sie sich eher verspottet als in ihrem Liebreiz erhöht fühlte.«Mir ist heiß», sagte sie, da sie auf Formianis Kompliment nichts anderes zu erwidern wusste.
    « Oh, du hast keinen Fächer...? Die vergesslichen Dinger! Dir keinen Fächer zu geben...! Hier, nimm unterdessen meinen...! Ach, sieh da, sieh da, die Familie Carmini! Donnerwetter, schau dir das genau an: Sie hat es in kurzer Zeit weit gebracht, deine Klostergenossin! Sieh sie dir an, wie sie da in traulichem Gespräch mit dem jungen Marcoligo auf der Vorderbank sitzt...! Nun, wirklich nicht übel; er ist ein Einfaltspinsel, aber im Übrigen ein braver Junge und recht gut frisiert...»
    « Wahrhaftig! Jetzt sehe ich Costanza!», rief Morosina, hocherfreut, ein Bindeglied gefunden zu haben, wodurch sich dieser letzte Tag mit klareren und ruhigeren Erinnerungen verknüpfen ließ.« Und wie ernst sie neben dem jungen Mann sitzt! Dabei hat sie mich im Kloster immer gehänselt wegen meiner Griesgrämigkeit!»
    « Jetzt lacht ihre Mutter an ihrer Stelle!», versetzte Formiani.«Siehst du sie da neben diesem imposanten Mann! Das ist der hochwohlgeborene Marcoligo, mein Kollege im Rat der Zehn. So grüß ihn jetzt, mein Töchterchen, denn einen aufgeblaseneren Laffen gibt es in ganz Venedig nicht...! Hörst du, hörst du, wie lustig die Mutter ist...? Ah, jetzt lachen sie nicht mehr... das kommt, weil sie uns gesehen haben...! Schau, schau, wie sie sich davonmachen...! Ich möchte wetten, mein Patentöchterchen, dass die Alte deine Gegenwart flieht, aus Angst, sie könnte einen Schwiegersohn verlieren!»
    Formianis Gondel scherte aus dem Hauptstrom des Gondelcorsos 54 aus und hatte binnen Kurzem das äußerste Ende des Kanals erreicht, wo er sich verbreitert und zum Festland hin in eine Lagune

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