Ein Engel an Güte (German Edition)
erstickter Stimme.
« Wie kommt es, mein Engel, dass ich dich beim Gondelcorso nicht gesehen habe?», sagte der Cavaliere. « Ich habe dich mit den Augen gesucht und mehr noch mit dem Herzen, weißt du das nicht?»
« Papa wollte auf die Piazza gehen», antwortete das Mädchen,«und da sind wir mit ihm gegangen. »
« Wer waren denn diese ‹wir›?», fragte derjunge Mann scherzend.
« Seine Exzellenz, Chirichillo und ich», erwiderte das Mädchen treuherzig.
« Ah, Seine Exzellenz war auch dabei?», entgegnete Celio neckend, indem er im äußersten Winkel der Terrasse Platz nahm, wohin sie im Lauf des Gesprächs gelangt waren, und das Mädchens auf seine Knie zog.«Ich habe die Neuigkeit erfahren, weißt du; und ich freue mich darüber.»
« Welche Neuigkeit?», rief Morosina ganz gerührt.
« Ja, Donnerwetter», entgegnete Celio zärtlich.« Willst du es mir etwa vorenthalten, mir, der ich doch dein Freund und dein Vertrauter bin...? Und dann hat Seine Exzellenz es selbst mir ja soeben eröffnet.»Die zärtlichen Worte besiegelte er durch einen Kuss, dem das Mädchen sich nicht widersetzte, so fassungslos war sie vor Staunen und Angst, die diese Rede ihr einflößte.
« Aber was meinst du denn?», fragte sie schließlich äußerst erregt.
« Ja, guter Gott, deine famose Hochzeit!», rief der andere munter.«Deine Hochzeit, deretwegen ich bestimmt nicht eifersüchtig zu werden brauche! »
« Meine Hochzeit!», murmelte das Mädchen nun noch verblüffter als vorher.«Aber ist meine Hochzeit denn nicht...»Sie hielt inne, hätte sagen wollen«unsere Hochzeit», doch bei aller ängstlichen Bedrängnis erschien es ihr als Vermessenheit, diesen Satz zu Ende zu führen.
« Nur zu, sprich weiter», versetzte Celio seelenruhig.
Doch die Ärmste schwieg und sah ihn an, als ob sie ihn nicht mehr kennte oder in seinem Gesicht den Ausdruck eines Gefühls finden wollte, das es dort nicht gab.
« Du beliebst zu scherzen, Celio!», murmelte sie und senkte den Blick, obwohl sie bei allem Forschen im Gesicht des Cavaliere keinen Zug entdeckt hatte, der nicht von Ernst gezeugt hätte.
« Aber nein, ich scherze ganz und gar nicht!», antwortete er, der Morosinas Scheu für klösterliche Schamhaftigkeit hielt, und wiegte sie auf seinen Knien, als ob sie ein Kind wäre.«Na komm, was sind denn das für Kindereien, mein Mädchen, mir die Wahrheit vorenthalten zu wollen...! Das ist umso schlimmer, als du weißt, welchen Anteil ich an deinem Geschick nehme ... Na komm, lach doch, so lach doch, meine Kleine!», setzte er hinzu und legte ihr den Finger zwischen die Lippen.« Dein Herr Pate ist alt und krank, aber wie du auch bisher schon sehen konntest, wird er dir ein äußerst taktvoller Ehemann sein!»
« Ah», schrie Morosina auf und warf sich nach hinten, nachdem sich ihr Gesicht bei den letzten Worten des Cavaliers völlig verzerrt hatte.
Es fehlte nicht viel, und die heftige Bewegung hätte sie über die Brüstung hinausgetragen, und wenn Celio sie nicht an einem Arm festgehalten hätte, wäre die Ärmste in den Kanal gestürzt. Bei diesem lauten Aufschrei sprang die Spielgesellschaft auf und eilte in wildem Durcheinander zur Terrasse.
« Nichts, es ist nichts passiert, zum Glück», stammelte der Cavalier Terni den ersten Herbeigeeilten und auch Formiani gegenüber, der etwas später hinzukam und sich zwischen den anderen hindurchdrängte.«Die Signorina hat sich über die Brüstung gebeugt, um diese Nelke dort zu pflücken, aber sie hat sich zu weit vorgelehnt, und als sie spürte, dass sie das Gleichgewicht verliert, hat sie einen Schrei ausgestoßen und ist vor Schreck in Ohnmacht gefallen. Zum Glück habe ich vom Balkon aus alles gesehen, bin blitzschnell herbeigesprungen und konnte sie an den Kleidern festhalten. Oh, es ist nichts weiter», bemerkte er.« Aber vielleicht sollte man sie doch hinlegen und ihr die Kleider öffnen.»
In der Zwischenzeit waren die Zofen gerufen worden und herbeigeeilt; sie nahmen Morosina in die Arme und geleiteten sie in ihre Gemächer, legten sie dort aufs Bett, besprengten ihr das Gesicht mit Wasser und reichten ihr das Riechfläschchen.
« Was ist denn passiert?», fragte unterdessen Seine Exzellenz den Cavaliere.
« Ach herrje», antwortete dieser ganz verwirrt, weil er einsehen musste, wie verkehrt er sich Morosina gegenüber benommen hatte und wie grundfalsch er sie eingeschätzt hatte.«Es war so, wie ich eben erzählt habe!»
« Ist ihr Vater im Haus?», fragte Formiani
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