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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Morosina.«Schläft mein Vater noch, soweit ihr wisst?»
    « Nein, nein!», antwortet Moretta.«Jetzt schlägt es elf, aber es war noch keine zehn, als ich im Korridor an seinem Zimmer vorüberging, und da habe ich ihn schreien und laut mit sich selbst reden hören ...»
    « Immer derselbe! », sagte das Mädchen lächelnd.« Aber da ist er heute doch wahrhaftig früh aufgestanden, ganz anders als sonst.»
    Mit diesen Worten schlüpfte sie rasch zur Tür hinaus, eilte zwei Treppen hinunter, klopfte an der Tür des Podestà, stürmte ins Zimmer und umarmte ihn, der noch in dem Sessel saß, in den er nach den Schreien, die Moretta vernommen hatte, tonlos niedergesunken war und von dem er sich diese ganze Stunde hindurch nicht mehr erhoben hatte.
    « Was haben Sie denn, Herr Vater?», fragte das gute Kind im Ton sanften Vorwurfs, als sie spürte, dass er ihre Küsse nicht erwiderte.
    « Weißt du es nicht?», fragte der Podestà und sah sie groß an.
    « Ich? Rein gar nichts», antwortete Morosina ganz erstaunt.«Was wollen Sie damit sagen?»
    « Vorerst will ich dir noch nichts sagen», erwiderte der Podestà«Aber...»
    « Aber was?», fragte das junge Mädchen beunruhigt.
    « Still!», entgegnete der Alte mit geheimnisvoller Gebärde.
    « Was heißt hier ‹still›? Um Himmels willen», rief Morosina,«wenn ein Unglück geschehen ist, dann lassen Sie mich auch daran teilhaben.»
    « Ein Unglück...? Ein ausgemachtes Glück ist es!», rief der Podestà.«Stellt Euch vor, man will Euch...»
    « Was will man?»
    « Man will...»
    « Aber ich bitte Euch, mein lieber Vater!»
    « Jetzt habe ich es zur Hälfte schon gesagt... da kann ich es auch gleich ganz sagen...! Wohlan, mein Kind, man will dich verheiraten...! Im Grunde genommen», setzte er für sich hinzu,« Stillschweigen hin oder her, es geht sie ja wohl etwas an, und früher oder später wird sie es ohnedies erfahren müssen.»
    Nachdem er das Geheimnis, das ihn zu ersticken drohte, losgeworden war, fand der Podestà wieder zu seiner gewohnten Haltung zurück und begann sich anzukleiden.
    Morosina hingegen stand da, als ob ihr Vater arabisch mit ihr gesprochen hätte. Für sie war dieses« Heiraten»ohne jede Bedeutung; es war ein vollkommen nichtssagendes Verb, solange nicht das Objekt hinzukam und ihm Leben verlieh. Auch von der Ehe hatte sie keine klare Vorstellung, da diese in der damaligen Gesellschaft so entartet war, dass sie sich nur durch eine ganz besondere Art der Langeweile und Schändlichkeit von jeder anderen Bindung zwischen Mann und Frau unterschied. Versteht sich, dass es nur wenig bedurft hätte, um diesen Begriff von der Ehe in Morosinas Geist zurechtzurücken; und hätte der Vater zu ihr gesagt: ‹Meine Liebe, morgen wirst du die Ehe mit Cavalier Celio eingehen!›, so hätte sie deren keusche Wonnen und heiligen Pflichten auf Anhieb erfasst. Doch solange sie auf eine so abstrakte Ansicht von der Sache beschränkt blieb, verstand sie nicht viel davon und empfand sogar insgeheim Ekel davor. Muss ich diesen Sachverhalt durch ein Gleichnis erläutern? Nun, so seht denn! Es gibt da ein gewisses Porzellangefäß, das, wenn es aus der Manufaktur kommt, so rein ist wie das Gewissen des heiligen Ludwig. Doch die Gewohnheit, Abfälle und andere schmutzige Dinge in diesen Gefäßen zu erblicken, führt dazu, dass man sich davor ekelt und gewiss nicht seine Suppe daraus essen würde. Führt nun bei euren Kindern die Mode ein, schöne, duftende Blumen, leckere Pasteten oder Vögelchen in solchen Gefäßen zu sehen, und sie werden sie mit höchstem Entzücken an Lippen und Nasen führen. Kurz, Morosina war eher erschrocken als erfreut über die Mitteilung, dass man sie verheiraten wolle, und während sie nachdenklich und mit gesenktem Kopf vor ihrem Vater stand, kam ihr mehrmals die fatale Frage«mit wem denn?»auf die Lippen, deren Beantwortung sie, das spürte sie, dieser peinlichen Ungewissheit überhoben hätte.
    Doch in den letzten zwei Tagen war sie zu befangen geworden, um unbedacht diese Frage zu stellen, erst im neunten oder zehnten Anlauf trug ihre Wissbegier den Sieg davon, und die Frage kam so ängstlich, schamhaft und hoffnungsbang aus ihrem Munde, dass sogar die nicht eben zartfühlende Seele des Podestà davon gerührt wurde.
    « Mit wem?», gab dieser zur Antwort.«Das möchtest du wohl gern wissen, mein Kind? Aber das ist ja das Schöne, ich weiß es selbst nicht. Seine Exzellenz hat es mir gestern Abend gesagt, und da er selbst sich

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