Ein Engel an Güte (German Edition)
Alte, indem er aufstand und sich mit dem Ärmel seines scharlachroten Rocks den Mund wischte.
Und so stieg er zum Haushofmeister hinauf, der ihm nach kurzer Begrüßung die neununddreißig Oktaven vortrug, von denen zuvor schon die Rede war, sowie weitere zwanzig, die er am Morgen erst gedichtet hatte. Sie waren jedoch noch nicht bei der zwanzigsten angelangt, als der Gerichtsschreiber erschien, aus dessen Miene alle Düsterkeit vom Abend zuvor gewichen war.
« Grüß Euch, Don Gasparo», rief er beim Eintreten.
Der Meister ließ sich in seinem Vortrag nicht beirren, machte aber eine Geste, wie um zu sagen:« Wartet ein wenig»; und erst als er neunundfünfzig fest gefügte Stanzen in einem wahrhaft rossinischen Crescendo zu Ende gebracht hatte, erwiderte er in tragischem Tonfall:«Grüß Euch, Freund Chirichillo!»
« Dank Euch, Don Gasparo!», antwortete dieser.« Ei, wo steckt Ihr denn den ganzen Morgen? Nie kann man Euch seine Aufwartung machen!»
« Ah, was für Verse!», sagte der Abbe.«Aber das kostet Schweiß, weißt du!»
« Das sehe ich», erwiderte dieser.«Ihr trieft ja förmlich.»
« Sieh her, sieh her», sagte der Meister, voller Stolz, jemanden gefunden zu haben, der seine Mühen zu würdigen wusste.«Sieh her, sage ich», wiederholte er, wischte sich die Tropfen von der Stirn und wies dem Gerichtsschreiber die klatschnassen Handflächen vor.«Und heute Abend die Wiederholung, falls du das noch nicht weißt; Seine Exzellenz verlangt es so; und da muss ich Ehre einlegen, verstehst du; da reicht es nicht, dass die Verse gut sind, vielmehr muss man ihnen ein gewisses Kolorit, eine gewisse mimetische Harmonie verleihen ...! Apropos, Chirichillo, wo du doch schon so oft gelebt hast, bist du denn auch einmal Dichter gewesen?»
« Nicht dass ich wüsste», versetzte der Gerichtsschreiber trocken.
« Ha ...», rief da der Podestà, der wohl vom Aussetzen des Reimgetöses aufgewacht war, so wie der Müller erwacht, wenn das Mühlrad stillsteht.
« Nun, habt Ihr gehört? Was für eine großartige Sache!», rief der Meister, zu ihm gewandt.
« Was denn?», erwiderte Valiner, sich die Augen reibend.
« Ah, ich weiß schon! Ihr seid überwältigt, geblendet...! Diese Schilderung der Schlacht bei Flegra... ha, und dieser Kanonendonner...! Bumm!», brüllte Don Gasparo.
Endlich löste das Erscheinen des Kammerdieners diese merkwürdige akademische Runde auf, und unsere Freunde gingen in den Speisesaal hinunter, wo Seine Exzellenz seit fünf Minuten verstohlen die neben ihm sitzende Morosina beobachtete. Als ob er ihr den sehnlichen Wunsch, den Namen des Bräutigams zu erfahren, an den Augen würde ablesen können, saß sie völlig verwirrt und mit gesenktem Blick da; doch diesmal las der Inquisitor falsch in ihrem Herzen und führte diese Verschämtheit auf ganz andere Gründe zurück.« Hast du es ihr gesagt?», flüsterte er Valiner ins Ohr und begleitete seine Frage mit einem Lächeln und einem Kopfnicken in Richtung Morosina.
« Ja, Exzellenz!», antwortete Valiner mit einem Hüsteln.
« Gut, gut!», erwiderte der andere und nahm Morosina bei der Hand. Dann beugte er sich zu ihr und flüsterte in listigem Ton:«Es ist für jedermann ein Geheimnis, aber ich gestatte dir, es heute Abend dem Cavalier Celio mitzuteilen.»
Vor Freude wäre das Mädchen fast in Ohnmacht gefallen, doch sie fasste sich rasch und warf Formiani einen Blick voll seliger Dankbarkeit zu. Dem war entgangen, wieviel Himmlisches in diesem Blick lag, und er deutete ihn auf seine Art.« Die Doppelrolle missfällt ihr nicht», dachte er bei sich.
Der Rest des Tages verlief nach der üblichen Ordnung, von der Angelegenheit war nicht mehr die Rede. Erst als der Cavalier Terni im Spielsaal auftauchte, sah man, wie er sich mit dem Hausherrn in eine längere Unterredung vertiefte; der schien ihm eine äußerst erfreuliche Mitteilung zu machen und er selbige mit einem Gemisch aus Überraschung und Freude aufzunehmen. Dann verschwand der Cavaliere auf den Balkon. Morosina erwartete ihn dort, durch die Vorhänge hindurch hatte auch sie seine Unterredung mit Formiani beobachtet. Als sie ihn daher näher kommen sah, wandte sie das Gesicht dem Kanal zu und wartete mit solchem Herzklopfen, dass ihr die kurze Zeit, die er brauchte, um zu ihr auf den Balkon zu treten, wie ein ganzes Jahrhundert erschien.«Guten Abend, mein Schatz!», flüsterte Celio mit einschmeichelnder Stimme.
« Guten Abend, Celio!», antwortete sie mit vor Gefühl
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