Ein Engel an Güte (German Edition)
Ursache dieser Verwandlung hielt, war sie deshalb schon sehr betrübt gewesen. Celio richtete den ganzen Abend hindurch nicht einmal das Wort an sie, warf ihr nur von Zeit zu Zeit finstere Blicke zu; doch ein- oder zweimal erhaschte sie einen verstohlenen, liebevollen Blick, der dem ihren rasch auswich, wie um nicht ertappt zu werden, und da sie sich nicht vorstellen konnte, der Groll könne erheuchelt sein, dachte sie, Celios Zorn sei verflogen und ein weiteres Mal von Liebe überwunden worden. Diese Überzeugung, aus der sie, ohne es zu wissen, unendlichen Trost bezog, geriet erneut ins Wanken, als er sich zum Abschied scheinbar ehrfürchtig vor ihr verneigte, dabei aber hastig flüsterte:«Ich bin nur am Leben, um Rache zu nehmen! Auf Wiedersehen!»
Die Ärmste fühlte, wie ihr die Beine den Dienst versagten, und von Neuem fürchtete sie, an jenem verhängnisvollen Abend, als sie in Ohnmacht gefallen war, im Unrecht gewesen zu sein. Wenn sie sich dann aber das Gespräch mit Celio noch einmal vergegenwärtigte, so erschienen ihr seine Absichten so ungehörig, sein Ansinnen so frech und verwerflich, dass sie noch größeren Abscheu verdienten, als sie ihm mit ihrer unwillkürlichen Ohnmacht bezeigt hatte.«Wenn solch ein Betragen Frauen gegenüber das allgemein übliche ist, kann das eine Entschuldigung sein, sich mir gegenüber auch nicht anders zu benehmen? Wenn ich glaubte, er sei im Grunde wie alle anderen, würde ich ihn dann etwa lieben... hätte ich ihn dann etwa geliebt? (so verbesserte sich das keusche Mädchen sogar in Gedanken). Und wenn ich in allem so wäre wie alle anderen, hätte ich ihn dann etwa auf solche Weise geliebt oder nicht eher... Genug!», sagte sie stirnrunzelnd und schüttelte den Kopf, wie um einen hartnäckigen Gedanken zu verscheuchen:«Gott ist gütig und wird mich nicht verlassen.»
So führte sie dieses stille und melancholische Leben fort, in dem sie sich allerdings mit doppelt so viel Tugend wappnen musste wie in klösterlichen Bußübungen. Allerdings wagte sie nie, Celio allein zu empfangen, so sehr sie auch gewünscht hätte, sich in seinen Augen von aller Schuld reinzuwaschen, die falscher Anschein oder das törichte Geschwätz der Leute auf sie gehäuft haben mochten; und jedes Mal, wenn sie hörte, dass er ihr gemeldet wurde und nicht gerade ihr Vater oder Chirichillo zugegen waren, ließ sie sich verleugnen oder schützte eine Krankheit vor. Diese Lügen kosteten sie viel Überwindung und einige Reue, das ist wohl wahr, doch dann tröstete sie sich durch ein Gebet zu Gott, überzeugt, dass ihr Gewissen und ihr«Alter»ihre Handlungsweise billigten.
Seine Exzellenz ging weiterhin überaus menschlich mit ihr um, ließ sie frei schalten und walten und war bei jeder Begegnung voll der liebenswürdigsten Aufmerksamkeiten für sie. Nur ermahnte er sie von Zeit zu Zeit, geselliger zu werden, sich den Umgang mit ihresgleichen nicht zu verwehren, welcher, so sagte er, in Jugendtagen dem Lebensglück wenig hinzufüge, in reiferen Jahren und im Alter aber alle Annehmlichkeit des Lebens in sich berge. Und man müsse sich schon in jungen Jahren daran gewöhnen, denn sonst, setzte er hinzu, verwildere die Seele, und schwerlich werde freundlich empfangen, wer sich anderer erst in der Not entsinne.«Oh, ich werde mich immer wohlfühlen, so wie ich bin!», erwiderte Morosina treuherzig.
« Nein, mein Weibchen», antwortete Formiani.« Gott hat den Menschen von Natur aus gesellig geschaffen, und er kann nicht gutheißen, dass ein so vorbildlicher Lebenswandel wie der deine in vier Wänden eingeschlossen bleiben soll, jetzt, wo gute Vorbilder so dringend nötig sind.»
Bei solchem Lob senkte Morosina den Kopf und widersprach nicht weiter; dass sie jedoch von den Predigten ihres Gemahls nicht überzeugt war, bewies sie dadurch, dass sie nach derlei Ermahnungen nichts an ihrer Lebensweise änderte. Wenn sie nach solch ruhigen Auseinandersetzungen, die gewöhnlich stattfanden, nachdem sie dem Alten beim Zubettgehen behilflich gewesen war, stumm hinausging, sah er ihr mit einem undefinierbaren Ausdruck nach. Gefühle der unterschiedlichsten Art lagen in diesem Blick: Ungläubigkeit zum Beispiel, Bewunderung, Ärger, Zärtlichkeit; und jedes hatte seinen Anteil daran, wie auch an dem Gedanken, der diesen Blick begleitete:«Teufel, sollte ich da an eine gar zu fromme Heilige geraten sein?»
Eines Abends, es war gegen Mitte August, und das junge Mädchen hatte sich nach einem dieser
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